Bei den Wahlen am 8. Mai 2022 ist die rassistische, nationalistische, antifeministische und chauvinistische Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Schleswig-Holstein mit bescheidenen 4,4% erstmals aus einem Landesparlament geflogen. Die lähmende Zerstrittenheit ihres nördlichsten Landesverbands hatte schon in der zurückliegenden Legislaturperiode u.a. zur Auflösung der Landtagsfraktion geführt und die Bestimmung einer*s regulären Parteivorsitzenden verunmöglicht. Auch im Wahlkampf traten die mehrfachen Spaltlinien in der Partei offen zu Tage. Dem vorgeblich „gemäßigten“ Flügel um Biedermann und Spitzenkandidat Jörg Nobis wurde teils von ganzen Kreisverbänden demonstrativ die Unterstützung entzogen, nachdem sich konkurrierende Parteicliquen, darunter auch die bekennenden Anhänger*innen des Faschisten Björn Höcke aus Schleswig-Flensburg, bei der Aufstellung der Landesliste benachteiligt gefühlt hatten. Ein rege betriebener antifaschistischer Gegenwahlkampf tat sein Übriges, um das Desaster der Rechtspartei am Ende zu besiegeln. Die AfD liegt in Schleswig-Holstein seither einmal mehr am Boden, zentrale Führungsfiguren haben sich im öffentlichen Streit zurückgezogen. Ob es Kräfte gibt, die in der Lage sind, in das entstandene Machtvakuum vorzudringen und die Partei wieder zu stabilisieren, ist derzeit mehr als fraglich. Nichtsdestotrotz besteht die Gefahr, dass der Schleswig-Holsteinische Landesverband im Zuge der fortschreitenden Machtkämpfe dem Kurs der Bundespartei folgen könnte, in der sich zunehmend die offen faschistischen Kräfte des Höcke-Flügels durchgesetzt haben. Dass der ursprünglich für Juli anberaumte schleswig-holsteinische Landesparteitag, auf dem die überfällige Restrukturierung des Landesverbandes eigentlich angegangen werden sollte, aus „internen Gründen“ verschoben werden musste, lässt uns optimistisch stimmen, dass es noch einige Schlammschlachten und Zerwürfnisse länger dauern könnte, bis die AfD in Schleswig-Holstein ihren Trümmerhaufen wieder einigermaßen aufgeräumt hat.
The future is unwritten – Krise, Inflation und rechte Scheinlösungen
Dabei ist die gesamtgesellschaftliche Situation für rechte Scheinlösungen der zahlreichen sich verschärfenden Missstände und in diesem Zuge ein Wiedererstarken der AfD leider keineswegs schlecht. Der Kapitalismus steckt seit Jahren in einer Dauerkrise und prekarisiert die Lebensbedingungen zunehmender Teile der Bevölkerung auch in den Metropolen auf vielfältige Weise. In Folge der Covid19-Pandemie und der Zuspitzung der imperialistischen Konkurrenz in Form von staatlicher Militarisierung und brutalen Kriegen wie aktuell in der Ukraine, beschleunigt sich die soziale Misere von Tag zu Tag. Die Zeche sollen mal wieder diejenigen zahlen, denen eh kaum was zum Überleben bleibt, während mancher Energie- oder Rüstungskonzern Gewinnsteigerungen in Milliardenhöhe einfährt und die wachsenden Vermögen der Reichen unangetastet bleiben. Moralische Appelle an die kleinen Leute, im kommenden Winter auf das Heizen und Warmwasser zu verzichten sowie im Wochentakt steigende Preise für das Nötigste an der Supermarktkasse, machen es mittlerweile für alle offensichtlich, dass es einen sozialen Frieden in diesem Land nicht mehr geben wird. Tendenziell rechte Bewegungen, wie sich sich z.B. im Protest gegen die staatlichen Pandemie-Maßnahmen vermasst haben, stehen schon in den Startlöchern, um den wachsenden Unmut für ihre Zwecke zu kanalisieren und nationalistisch, rassistisch oder antisemitisch gegen Schwächere oder vermeintliche äußere Feinde zu wenden. Die AfD ist solchen Gemengelagen selten fern geblieben und wird sich absehbar als parlamentarische Stimme der reaktionären Wutbürger*innen inszenieren. Die Gefahr, die von dieser Partei ausgeht, ist also keineswegs gebannt, sondern in im Krisenkapitalismus als Blitzableiter fest angelegt. Aufgabe der antifaschistischen Linken wird es in den kommenden Monaten also sein, nicht nur rechte Akteur*innen in den sich abzeichnenden sozialen Protesten gegen die Krisenfolgen zurückzudrängen, sondern vor allem den Klassenkampf für radikale Umverteilung und eine antikapitalistische Perspektive voranzutreiben.
Keine Räume der AfD – Schluss mit den rechten Umtrieben im Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg!
Auch der nun bevorstehende Landeparteitag der AfD am 27. und 28. August 2022 soll abermals im Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg stattfinden. Das Bürgerhaus hat sich in den letzten Jahren zur wichtigsten Lokalität der AfD in Schleswig-Holstein und sogar darüber hinaus entwickelt. Fast sämtliche größere Parteiveranstaltungen finden hier noch ein Zuhause, während es den Rechten in vielen anderen Städten dank antifaschistischer Interventionen mittlerweile nahezu unmöglich ist, geeignete Räume zu finden. Besonders skandalös ist dabei, dass das Bürgerhaus der kommunalen Hand, d.h. der städtischen Verwaltung, untersteht. Ein politischer Wille der CDU dominierten Gemeindevertretung, keine AfD-Veranstaltungen in ihren Räumlichkeiten zu dulden, würde also ausreichen, um der AfD ihre wichtigste Infrastruktur zu entziehen. In einer Mischung aus Ignoranz und Naivität verweigert sich die Lokalpolitik wider besseren Wissens und trotz regelmäßiger antifaschistischer Proteste dieser politischen Verantwortung und heißt die AfD bei sich herzlich willkommen. Auch, dass es am Rande einer Parteiveranstaltung am 17. Oktober 2020 mit der Auto-Attacke des AfD-Sympathisanten Melvin Schwede sogar zu einem der schwersten rechten Übergriffe in Schleswig-Holstein seit Jahren gekommen ist, bei dem der Tod von Antifaschist*innen in Kauf genommen wurde, hat an diesen Zuständen nichts geändert. Es wird daher Zeit, das Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg als das zu benennen, was es de facto seit Jahren darstellt: Das wichtigste Zentrum für rechte Strukturen in Schleswig-Holstein. Antifaschist*innen sollten nicht länger zögern, es auch als solches zu behandeln und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Konsequenz stellt für uns nicht nur eine Notwendigkeit im Kampf gegen die AfD und damit die derzeit zentrale rechte Kraft dar, sondern auch einen aktiven Akt der Solidarität mit dem Betroffenen des faschistischen und rassistischen Angriffs vom Oktober 2020.
Nachtreten – gegen den AfD-Landesparteitag in Henstedt-Ulzburg!
Wir schließen uns deshalb auch diesmal den lokalen Protesten gegen den Landesparteitag der AfD im Bürgerhaus an. Wir rufen alle Antifaschist*innen aus Schleswig-Holstein dazu auf, am Samstagmorgen nach Henstedt-Ulzburg zu kommen und den Delegierten der AfD einen gebührenden Empfang zu bescheren – das 9€-Ticket macht dies unkompliziert möglich! Wir werden auch und gerade jetzt, wo die AfD in Schleswig-Holstein am Boden liegt, nicht nachlassen, und die angestrebte Konsolidierung der Partei bei jeder guten Gelegenheit sabotieren. Antifas in Schleswig-Holstein haben in den letzten Jahren mancherorts immer wieder die erfreuliche Erfahrung machen dürfen, das unfaires Nachtreten ein fruchtbares Mittel ist, um die organisierte Rechte dort zu halten, wo sie hingehört – diese gute Tradition wollen wir fortsetzen. Und wir werden auch weiterhin nicht dabei zusehen, wie sich das Bürgerhaus am Tatort Henstedt-Ulzburg als ein Dreh- und Angelpunkt für rechte Strukturen in Schleswig-Holstein normalisiert. Denn wir wissen, dass die innerhalb der krisenhaften bürgerlichen Gesellschaft immerwährende Gefahr des Faschismus und seiner Gewalt auch durch zweifelsohne erfreuliche AfD-Wahlniederlagen keineswegs gebannt ist, sondern kontinuierlichen antifaschistischen und antikapitalistischen Widerstands bedarf. Lasst uns an die Stärke, die wir im zurückliegenden Wahlkampf erlangen konnten, anknüpfen und auch zukünftig gemeinsam und entschlossen gegen die AfD und alle anderen rechten Kräfte im Land vorgehen. Auf nach Henstedt Ulzburg!
Kein Bürgerhaus der AfD – alle zusammen gegen den Faschismus!
Antifaschistische Gruppen Schleswig-Holstein