Bericht zur Bündnis-Demo in Henstedt-Ulzburg

Am Samstag den 17. Juli 2021 sind wir bei der Bündnis-Demo >> Henstedt-Ulzburg war kein Unfall! Rechten Terror stoppen! << zusammen mit rund 400 Antifaschist*innen durch Henstedt-Ulzburg gezogen, um an den rechten Mordversuch in der Gemeinde vor 9 Monaten zu erinnern. (Link zum Demo-Aufruf und Hintergrund zum Täter Melvin Schw.)

Gegen 14 Uhr setzte sich die Demo unter lautstarken antifaschistischen Parloen in Bewegung, vorab gedachte der Demozug noch unserer verstorbenen Genossinnen Esther Bejarano mit einer Schweigeminute.

Am Rande wurde die Demo immer wieder von Anwohner*innen bepöbelt und der Demonstration der Mittelfinger entgegen gestreckt. Erwähnenswert aber jedoch auch, die freundlichen und wirkenden Menschen an ihren Fenstern.

Bei der Auftakt, Zwischen- und Endkundgebung wurden jeweils aus den beteiligten Bündnissen aus Henstedt-Ulzburg, dem Kreis Pinneberg, Segeberg, Hamburg
und Norderstedt reden gehalten. Ein Betroffener des Anschlags hat gesprochen und von seiner derzeitigen Situation erzählt.

Zeigen wir weiter gemeinsam auf, eine Welt ohne Faschismus ist möglich, es liegt an uns!

Bezugnehmend auf all die Soliaktionen die uns aus der ganzen Welt erreicht haben und noch immer erreichen. Habt herzlichen Dank dafür! Eure Aktionen geben Kraft den Anschlag zu verarbeiten und sie geben Hoffnung, auf eine bessere, schönere Welt für uns alle!

Lassen wir keinen Menschen alleine, kämpfen wir weiter gemeinsam für das schöne Leben für alle!

An dich Esther: Unser gemeinsamer Kampf geht weiter, möge die Welt dir leicht sein!

Siamo tutti Antifascisti!

Auch Alexander Hoffmann, Rechtsanwalt einer betroffenen Person ordnete den Mordversuch an seinem Mandanten und drei weiteren Antifaschist*innen in seiner Rede noch mal ein und wies daraufhin, wie wichtig antifaschistischer Protest und die Solidarität mit den Betroffenen ist.

Wir dokumentieren auch noch unsere
Rede die wir am Ende der Demonstration gehalten haben.

Genau heute ist es 89 Jahre her, dass rund 7.000 Nazis, in Uniformen der SA und SS, aus Schleswig-Holstein und Hamburg als Demonstration durch die selbständige Stadt Altona gezogen sind.
Aktivist*innen der Antifaschistischen Aktion versuchten vergeblich den Aufmarsch im Vorfeld zu verhindern.
Anstatt die Anwohner*innen zu schützen, rief der Polizeipräsident und SPD-Reichstagsabgeordnete Otto Eggerstedt dazu auf, die Stadt zu verlassen.
Die Polizeiführung samt Otto Eggerstedt ging mit „guten Beispiel“ voran und machten an diesem Tag Urlaub.
Nach dem es am Rande des Naziaufmarsches zu Auseinandersetzungen mit wütenden Anwohner*innen kam und durch zwei Schüsse, wer sie abgegeben hat ist bis heute nicht geklärt, zwei Nazis tödlich verletzt wurden, eröffnete die Polizei das Feuer auf unbeteiligte Anwohner*innen und ermordete 16 von ihnen.
Die Polizei und die Politik der Weimarer Republik erfanden das Märchen von „kommunistischen Heckenschützen“ die auf den Naziaufmarsch und die Polizei geschossen haben. Das der Naziaufmarsch als Provokation im Roten-Altona wahrgenommen wird war vorauszusehen, zumal erst am Wochenende zuvor zwei Kommunisten und zwei Sozialdemokraten durch NSDAP-Mitglieder ermordet wurden.
Die Ermittlungen die von der Justiz der Weimarer Republik geführt wurden, also noch vor der Machtübergabe an die NSDAP, vertrat die These von einem „kommunistischen Komplott“, sie schafften die Grundlage für die Todesurteile und Ermordung von August Lütgens, Walter Möller, Karl Wolff und Bruno Tesch am 1.August 1933 und führten für viele andere zu langen Haftstrafen.
Eine Täterschaft der Verurteilten konnte nicht nachgewiesen werden, allen wurde wegen Beteiligung an einem „kommunistischen Komplott“, in verschiedenen Prozessen verurteilt.

Otto Eggersstedt der den Aufmarsch hätte einschränken oder verbieten können wurde noch im Jahr 1933 zu einem frühen Opfer des Nazi-Terrors, erschlagen im KZ-Esterwegen. Erst am 13. November 1992 wurde das Urteil gegen Lütgens, Möller, Wolff, Tesch aufgehoben.
Am 21. Juni 1996 und am 29. Juni 1998 wurden die Urteile aus einem zweiten und dritten Prozesses aufgehoben, weitere Unrechtsurteile aus drei weiteren Prozessen sind bis heute noch nicht aufgehoben.

Am 17.10.2020 fand hier in Henstedt-Ulzburg zum wiederholten Mal eine Veranstaltung der faschistischen AfD statt.
Auch wenn die Verwaltung und Politiker*innen dieser Gemeinde es nicht durchsetzen, auch sie haben die Möglichkeit der AfD nicht mehr die Gemeinderäumlichkeiten zu überlassen – wenn sie es den wollen würden.
Die Stadt Pinneberg hat in Schleswig-Holstein doch Anfang 2020 vorgemacht wie schnell es möglich ist Nutzungsbedingungen zu ändern, zumindest wenn es gegen antifaschistisch engagierte Jugendliche geht. Denen wurde Anfang 2020 die Nutzung des Geschwister-Scholl-Haus, dass örtliche Jugendzentrum in Pinneberg verboten.
Die Jugendlichen organisierten dort ein Antifa-Café unter anderem mit Zeitzeugengesprächen, Infoveranstaltungen zur Seenotrettung, Klimawandel und weitere, wichtige Themen.

Jetzt gibt es kein Antifa-Café mehr – der Preis ist, es gibt keine offene Kinder und Jugendarbeit mehr in Pinneberg, bzw. es findet eine Kinder und Jugendarbeit statt von Gnaden der Bürgermeisterin Urte Steinberg, Pinneberg ist bereit das als Preis zu Zahlen – damit es das Antifa-Café der Jugendlichen in der Form wie es dort war, nicht mehr gibt.

Wir haben mit Unverständnis war genommen, das die faschistische AfD auch weiterhin von der Gemeinde Henstedt-Ulzburg empfangen und die Räumlichkeiten gestellt bekommt.
AfD – die Integrations-Partei, die es gerade wie keine andere schafft verschiedene rechte Spektren anzusprechen und zusammen zu bringen.
Vom Mörder von Walther Lübcke, der für die AfD plakatierte und AfD Demos besuchte, Ku Klux Klan-Aktivisten wie in Norderstedt, der erst auf Druck von außen, die Partei verlassen mussten, Teilnehmer von Combat-18 Feierlichkeiten, Rassist*innen und Antisemit*innen aus FDP und CDU, rechte Polizist*innen, christliche Fundamentalist*innen und sog. „Lebensschützer*innen“, Mitglieder der gewalttätigen und faschistischen Identitären Bewegung usw.
Weitere Milieus werden umworben, so möchte z.B. Tomasz Marius Froelich, lange Jörg Meuthens Büroleiter, eine Schlägertruppe für die AfD zusammen stellen, dafür sucht er Anschluss an HSV-Hooligans, dieser Schlägertrupp soll gegen Antifaschist*innen vorgehen.

Durch rassistische und antisemitische Stimmungsmache ermutigt die AfD Täter*innen wie in Halle, Hanau oder auch den Mörder von neun Menschen am 22. Juli 2016 am Münchener Olympia-Einkaufszentrum zu ihren Taten. Die Täter*innen beziehen sich auf die Positionen dieser Partei.

An Wahlkampfständen der AfD, die an viel zu vielen Orten zwischen der Linken, der CDU, den Grünen, der FDP und der SPD ohne Probleme stehen können und es von außen wie ein demokratischer Wettstreit zwischen den demokratischen Parteien und der faschistischen AfD aussieht, wird einem von der AfD gerne mal zu geraunt was sie mit Antifaschist*innen vorhaben – „wir werden euch weg machen!“

Vor neun Monaten, genau hier in Henstedt-Ulzburg, ist das passiert was sie meinen wenn sie einen zu raunen – „wir werden euch weg machen!“
Wir sind uns sicher, es wird und es ist ja auch schon an anderer Orten wieder passiert, weiter passieren, wir müssen der faschistischen AfD mit einem konsequenten Antifaschismus begegnen!

Die Erfahrungen haben gezeigt das wir uns auf den Staat und die Polizei nicht verlassen können – das hat sich schon 1932 beim Altonaer Blutsonntag gezeigt.
Wie auch, wenn die Polizei rassistisch gegen die Opfer und nicht nach den Täter*innen ermittelt, wie z.B. bei NSU.
Wie auch, wenn die Polzei nicht ans Telefon gehen, wie in Hanau?
Wie auch, wenn fast jede Woche ein neuer rassistischer oder antisemitischer Polizei-Chat mit Hitler-Bildern auffliegt?
Wie auch, wenn wie in Essen die Opfer und nicht der Täter vor Gericht gestellt werden, nach einem Angriff mit einem Auto auf Antifaschist*innen?
Wie auch, wenn wie im Ballstädt-Prozess die Staatsanwaltschaft einen Deal mit den Nazi-Tätern macht und alle mit Bewährung davon kommen?

Wie auch, wenn Polizisten in ihrer Freizeit eine rassistische Hetzjagd auf einen Antifaschist*innen veranstalten, wie in Freiburg?
Wie auch, wenn wie in Henstedt-Ulzburg die Polizei aus dem rechten Tötungsversuch an Antifaschst*innen, als erstes den Anschlag als Unfall verharmlost?

Wir müssen den Faschist*innen ihre Präsenz überall streitig machen, es hat sich gezeigt das Worte oft nicht die schlagkräftigsten Argumente sind und oft nicht reichen.
Es braucht keine weiteren Mitleidsbekundungen, es braucht die Auseinandersetzung mit den Ursachen für das Erstarken von rechten Bewegungen und Parteien.
Es braucht die Auseinandersetzung wie man sie erfolgreich bekämpft – Gummibärchen und Aufkleber und warme Worte werden nicht reichen.
Ein Anfang könnte sein, ihnen die Räume zu nehmen, in Henstedt-Ulzburg das Bürgerhaus, in Tangstedt im Kreis Pinneberg den Sellhorns-Gasthof, in Nordhastedt in Dithmarschen den AfD-Treffpunkt „Zum alten Bahnhof“ usw.

Packen wir es an! Antifaschismus ist notwendig!
Freiheit für alle Antifaschist*innen!
Freiheit für Findus, Freiheit für Jo, Freiheit für Dy, Freiheit für Lina und alle anderen Antifaschist*innen Weltweit.
Solidarität mit allen Betroffenen von rechter Gewalt!