Uetersen/Kreis Pinneberg: Klandestin organisiertes Neonazi-Konzert

Recherche vom antifaschistischen Recherchekollektiv «EXIF – Recherche & Analyse»
Am vergangenen Samstag den 10. März 2018 fand in der Gaststätte «New Toddy’s» in Uetersen ein konspirativ organisierter Balladen-Abend mit dem Liedermacher «Fremd im eigenen Land» (F.i.e.L.) statt.

Marcel Martens am Mikrofon mit Supportern der Aktionsgruppe F.i.e.L.
Über den Abend versammelten sich etwa 50 Neonazis überwiegend aus dem Raum Schleswig-Holstein. Marcel Martens, der Sänger der Band F.i.e.L. aus Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern, spielte am Samstag zahlreiche Klassiker der verbotenen Band «Landser», wie „Arisches Kind“, „Ian Stuart“ und den „Klan Song“. Als Zugabe coverte er zudem „Ein Kompliment“ von «Sportfreunde Stiller». Martens der auch Mitglied bei der Band «Timebomb» ist, kooperiert geschäftlich unter anderem mit den Labels von Thorsten Heise («WB Versand»), Jens Hessler («Das Zeughaus») und Yves Rahmel («PC Records»). Für einen Auftritt nimmt er Freigetränke, Spritkosten und 150 Euro Gage. Martens ist neben seiner musikalischen Aktivität auch auf der Straße politisch involviert. Er organisierte beispielsweise am 8. Juni 2015 eine rassistische Kundgebung gegen Geflüchtete mit einem Live Konzert von Patrick Killat und seinem Bandprojekt «A3stus» in Grevesmühlen.

Marcel Martens uriniert auf jüdische Gedenkstätte in Wien
Am Samstagabend begrüßte und verabschiedete der ehemalige Rocker der Gruppen «Bandidos MC» und «MC Dirty Pack 78» Heiko Bloch alle Neonazis. Bloch ist seit etwa 2001 bekannter Neonazischläger in der Region Pinneberg und verschaffte sich über zahlreiche Angriffe auf Antifaschist_innen einen Ruf innerhalb der Neonaziszene. Die am Samstagabend versammelten Neonazis kennen sich viele Jahre und sind eine eingeschworene Gemeinschaft. So nahmen die anwesenden Mario Kollhorst, Marcus Gay, Simon und Sönke Bork beispielsweise bereits 2003 an einem Konzert in Neumünster teil. Das Konzert fand im Anschluss an eine Demonstration von Neonazis gegen die Wehrmachtsausstellung statt. Seit fast zwei Jahrzehnten ist Simon Bork führender Kopf und Strippenzieher in der Region. Um 2000 baute er zunächst die «Kameradschaft Elbmarsch» mit auf, mit der er 2003 auch in Wunsiedel am geschichtsrevisionistischen «Heß-Gedenkmarsch» teilnahm. Die 40-60 köpfige Gruppe war in der Region für zahlreiche Angriffe auf Linke bekannt. Anfang 2002 verging kaum ein Wochenende ohne rassistische oder faschistische Attacken der Kameradschaft.

24.07.2012 – Marcus Gay, Jan Wachsmuth, Nico Schäfer, Simon Bork (v.l.n.r.)
Später entwickelte sich aus der Gruppe die Kameradschaft «Jugend für Pinneberg», in der sich die Neonazis heute organisieren. Seit vielen Jahren werden gemeinsame Aktivitäten wie Wanderungen, „Sonnenwendfeiern“ und gemeinsame Reisen durchgeführt. Durch Exkursionen in andere Länder, beispielsweise nach Finnland, bauen sie internationale Kontakte zu Kameradschaften auf. Viele Mitglieder lassen sich heute eher selten in der Öffentlichkeit blicken und beteiligen sich häufiger an den internen Veranstaltungen zur Stärkung der Gemeinschaft. Marcus Gay, die Bork Brüder und Jannick Schildt nahmen am 1. März 2015 an der «Norddeutschen Bücherbörse» im «Thinghaus» in Grevesmühlen teil. Auch am Stammtisch der «Identitären Bewegung» am 27. Januar 2017 nahmen die Bork Brüder und Yannick Schildt teil.

05.04.2003 – Simon Bork (Bildmitte), Neonazi Demonstration in Neumünster
Bereits Ende des Jahres 2015 versuchten die Mitglieder der Kameradschaft «Jugend für Pinneberg» unter dem Label «Pinneberg wehrt sich (Forum und Bürgerbewegung)» vom gesellschaftlichen Rechtsruck zu profitieren und organisierten als bürgerlich getarnte Gruppe Treffen für Rechte aus dem Landkreis Pinneberg. Nach wenigen Treffen jedoch war die Luft raus, da sich nicht die erhoffte Beteiligung einstellte. Teilnehmer auf den damaligen Treffen von «Pinneberg wehrt sich» und auch jetzt am Samstagabend in Uetersen war der NPD Landesvorsitzende Hamburgs Lennart Schwarzbach. Schwarzbach stand jüngst im Fokus regionalmedialer Aufmerksamkeit, da er Mitglied im Fussballverein «TuS Appen» ist, dessen Spieler sich weigern, mit einem Neonazi aufs Feld zu laufen.

01.03.2015 – Sönke und Simon Bork Norddeutsche Bücherbörse im Thinghaus – Quelle: Recherche Nord
Ebenfalls beim Liederabend anwesend war der Neonazikader Christopher Delfs aus Schleswig-Holstein. Delfs war ab dem Jahr 2009 Mitglied der «Aktionsgruppe Neumünster» (AG NMS) und nahm an diversen Veranstaltungen der extrem Rechten in Norddeutschland teil. Zusammen mit ehemaligen Mitgliedern der AG NMS fungierte er als Schutztruppe für den mittlerweile geschlossenden «Club 88» in Neumünster. Delfs beteiligte sich immer wieder an körperlichen Angriffen auf Linke und gab u.a. in Sozialen Netzwerken an Mitglied einer selbsternannten «Sturmabteilung Ortsgruppe Faldera» zu sein. In dieser „Sturmabteilung“ war auch «Contras»-Mitglied Andreas Krüger aus Neumünster organisiert, der ebenfalls Besucher des Konzertes war. Zudem fungierte Delfs jahrelang als JN-Stützpunktleiter für dem Raum Hamburg und baute diverse Strukturen in Norddeutschland auf. Seine Aktivitäten innerhalb der Szene sind vielschichtig, neben seinen Recherchen als «Anti-Antifa»-Aktivist, organisierte er Treffen, unterstütze bei Demonstrationen die Ordnerstrukturen und zog Jugendliche Rechte in die Kameradschaften. Delfs und Bloch sind enge Freunde, so wies Bloch Delfs am Abend darauf hin, dass sie vorsichtig sein müssen, da er „Maulwürfe“ in ihren Strukturen vermute und verdächtigte im nächsten Satz den langjährigen Neonazi Mario Liebert.

Heiko Bloch (links), Lennart Schwarzbach (Mitte der Personengruppe), Marcus Gay (2.v.r.), 10.03.2018, Uetersen – Quelle: Bilder-Stream
Weiterer Gast an dem Abend war Joachim Saecker, ein bundesweit gut vernetzter Neonazi, der zum Beispiel zu dem «Vandalen» Allan „Griffin“ Surette eine freundschaftliche Beziehung pflegt. Als die Kameradschaft «Jugend für Pinneberg» im November 2014 nach Finnland reiste, war auch Saecker teil der Reisegruppe. Gegen 1.00 Uhr reiste der Großteil der Neonazis ab. Zur Verabschiedung bedankte sich Heiko Bloch bei einer Reisegruppe mit den Worten: „Danke Jungs, dass ihr da wart“, woraufhin ihm „Heil Hitler!“ erwidert wurde.
Hier gibt es noch ein paar Bilder.