Versuchter Mord an Antifaschisten in Dortmund

Am Sonntag den 14.08. 2016 lauerten drei Vermummte einem 24-jährigen Dortmunder Antifaschisten vor seiner Wohnung im Dortmunder Westen aus einem Auto heraus auf. Sie schlugen auf ihn ein, ein Angreifer zog ein Messer und stach zwei Mal zu.*1
In den letzten Wochen häufen sich wieder Angriffe von Nazis auf Menschen, die ihnen als politische Gegner gelten. Mit der Nachricht von einem Messerangriff am Sonntag erreicht die aktuelle Serie rechter Überfälle eine neue und doch altbekannte Eskalationsstufe in Dortmund.
Schon zum Jahreswechsel 2015/16 gab es in Dortmund-Dorsfeld Ausschreitungen, etwa 25 vermummten Nazis haben Streifenwagen in der Thusneldastraße und auf dem Wilhelmplatz mit Pyrotechnik beworfen. So endet die Silvesternacht in Dorstfeld für 18 von ihn mit einer Festnahme.*2
Die Autonome Antifa 170 aus Dortmund hat die letzten Übergriffe dokumentiert:

Am 31. Juli griffen Mitglieder und Sympathisant_innen der Neonazi-Partei “Die Rechte” in Köln eine Gruppe Antifaschist_innen im Hauptbahnhof an. Die Rechten hatten an einer rassistischen Demonstration gegen einen Aufmarsch von Anhänger_innen der türkischen Partei AKP teilgenommen. Einer der Betroffenen musste im Krankenhaus behandelt werden. Schon auf der Hinfahrt hatten die Neonazis einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers zufolge im Zug randaliert und einen Fahrgast verletzt – die Polizei beschränkte sich nach dem ersten Vorfall allerdings auf eine Kontrolle der Rechten, die danach weiter zu ihrer Demonstration ziehen durften.
Am Tag darauf attackierte eine Gruppe von Neonazis in Dorstfeld mehrere Menschen mit Flaschenwürfen. Beteiligt an dem Angriff waren laut den Betroffenen Michael Brück (Stellvertretender Landesvorsitzender der Partei “die Rechte”) und Christoph Drewer (Stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei die Rechte).

Hier ist Michael Brück mit Matthias Deyda beim EM16 in Frankreich/Lille (GERUKR)(*3)
Am 2. August, wieder nur einen Tag später, wurden im Hafen auf dem Weg zur U-Bahn eine Gruppe Menschen von vemutlich Nazi-Hooligans angegangen. Die rechten Schläger hatten sich, Berichten der Betroffenen zufolge, mit einem Hammer und einem Teleskopschlagstock bewaffnet. Den Angegriffenen gelang es, die Verfolger abzuhängen.
Am gestrigen Sonntag, dem 14. August, folgte der bisher schwerste Angriff der jüngsten Serie. Vermummte lauerten einem der Betroffenen des Angriffs vom 1. August vor seiner Wohnnung auf. Wie der Betroffene berichtet, schlugen sie auf ihn ein, einer der Angreifer zog ein Messer und stach zweimal zu. Der Betroffene erlitt eine Stichverletzung im Bauch und musste im Krankenhaus behandelt werden.

AFA170 *4
Nach dem Verbot vom “Nationalen Widerstand Dortmund” (NWDO) und während der Reorganisation in der Splitterpartei “Die Rechte” nahmen die Gewalttaten merklich ab. Mit dem Angriff auf das Rathaus am Abend der Kommunal- u. Europawahl am 24.05.2014 scheint diese Pause vorbei zu sein.

Nazis aus Dortmund vorm Rathaus. Bild. via. RN_Dortmund
In den letzten 15 Jahren sind mindestens 5 Menschen durch Angriffe von Nazis in Dortmond verstorben. Im Jahr 2001 wurden in Dortmund drei Polizist*innen von einem Nazi ermordet, 2005 der Punker Thomas „Schmuddel“ Schulz und 2006 Mehmet Kubaşık, der vom NSU-Netzwerk ermordet wurde.
Die gegenwärtige Serie von Übergriffen ist infolgedessen keine neue Dimension rechter Gewalt in Dortmund.
Den Betroffenen der Übergriffe gilt unsere Solidarität! – Leisten wir mit allen notwendigen Mitteln Widerstand!
+++ Es reicht! – Nazi-Gewalt stoppen – in Dortmund und anderswo! +++

Eine Serie Rechter Übergriffe in Dortmund gipfelte am letzten Sonntag (14.08.2016) in einem Messerangriff auf einen Antifaschisten. Mit einem gemeinsamen Aufruf mobilisieren Antifaschistische und Linke Gruppen aus Dortmund und NRW zu eine Demonstration nach Dorstfeld am Samstag den 20. August. Treffpunkt ist um 12:00 an den Katharinentreppen, gegenüber vom Hauptbahnhof. Aufruf und Flyer Download

Pressespiegel:
Wenn Neonazis zu stechen und die Medien schweigen von Robin Dullinge
http://www.ruhrbarone.de/messerangriff-auf-nazi-gegner-in-dortmund/131883 von Stefan Laurin
PM der POL-DO: Angriff mit Messer angezeigt – Polizei sucht Zeugen
Ruhr Nachrichten: Messerangriff: 24-Jähriger leicht verletzt
Update: Soko Rechts ermittelt nach Messer-Angriff
Nordstadtblogger: Linke und Antifaschisten beklagen Angriffe durch Neonazis in Dortmund
Der Westen: 24-Jähriger mit Messer verletzt – Verdacht auf rechte Gewalt
Neues Deutschland: Messerangriff auf Antifaschisten in Dortmund
junge Welt: Messerangriff in Dortmund
Netz-Gegen-Nazis: Messerangriff auf Antifaschisten in Dortmund
Sozialismus Info https://www.sozialismus.info/2016/08/mordanschlag-auf-antifaschisten-in-dortmund/
*1 http://www.blockado.info/mordanschlag-auf-antifaschisten-in-dortmund/
* 2 http://www.ruhrnachrichten.de/staedte/dortmund/44149-Dorstfeld~/Ausschreitungen-in-Dorstfeld-Das-Polizei-Protokoll-der-Nazi-Gewalt-an-Silvester;art2577,2916168
*3 http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2016/06/13/neonazis-fussball-em-deutsche-hooligans_21889
*4 https://aa170.noblogs.org/post/2016/08/15/rechte-angriffsserie-muendet-in-messerattacke/

Pinneberg: Türkische Nationalisten stören kurdische Kundgebung

via. linksunten.indymedia.org
Am Samstag den 30. Juli 2016 hat eine kurdische Kundgebung in Pinneberg bei Hamburg stattgefunden, die von türkischen Nationalisten und faschistischen “Grauen Wölfen” gestört wurde.

Am Samstag den 30. Juli hat eine kurdische Kundgebung vor dem Pinneberger Rathaus stattgefunden u.a. wurde vom Frauenrat Rojbîn zur Kundgebung aufgerufen um das IS-Massaker in Qamişlo zu verurteilen und um gegen den Staatsstreich von Erdogan zu demonstrieren.
>>> Am Morgen des 27. Juli wurden bei einem feigen Terroranschlag des Islamischen Staates (IS) in der Stadt Qamişlo mindestens 55 Menschen ermordet und mehr als 165 weitere Personen verletzt. Der Anschlag ereignete sich in einem belebten Viertel der Stadt, wo Mitglieder des IS einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in die Luft jagten.
Der erneute Terroanschlag des IS ist zugleich auch ein Eingeständnis seiner Verzweiflung und seines Niedergangs. Denn seit der Befreiung der Stadt Kobanê vom IS im Februar 2015 haben die Verteidigungseinheiten Rojavas kontinuierlich Gebiete im Norden Syriens von der Terrororganisation befreit.
Doch die jüngsten Anschläge und Angriffe des IS in Deutschland und Frankreich machen nochmals deutlich, dass der Kampf gegen diese Organisation auch international geführt werden muss. Die EU und die Bundesregierung müssen größeren Druck auf die Staaten ausüben, die weiterhin den Terror dieser Organisation offen oder verdeckt unterstützen. Hierzu gehört auch und vor allem die Türkei, wo Mitglieder des IS weiterhin unbehelligt agieren können.< << (*1)
Kurz nach beginn der Kundgebung in Pinneberg sammelten sich etwa 70 türkische Nationalisten und Anhänger der faschistischen "Grauen Wölfe" im Umfeld der kurdischen Kundgebung um diese zu stören und zu provozieren. Es wurden immer wieder der sog. "Wolfsgruß" gezeigt, ein Erkennungszeichen der "Grauen Wölfe“ (Bozkurtçular/Bozkurt) der faschistischen und ultranationalistischen Partei MHP.
Schon am 31.1.2016 wurde im schleswig-holsteinischen Neumünster eine kurdische Demo gegen die Angriffe des türkischen Staates und des IS auf Rojava, von "Grauen Wölfen“ angegriffen.(*2) Als 2011 in Kiel Hunderte türkische Nationalisten demonstrierten , beteiligte sich auch eine größere Gruppe aus Pinneberg an der Demonstration.(*3)
In der Lokalen Presse werden die faschistischen "Grauen Wölfe“ verharmlosend als Menschen die „türkische Fahnen schwenkten“ dargestellt.
Pinneberger Tageblatt:
http://www.shz.de/lokales/pinneberger-tageblatt/kurden-demonstrieren-in-…
Hamburger Abendblatt:
http://www.abendblatt.de/region/pinneberg/article207970037/Polizei-unter…

Faşizme Karşı Omuz Omuza! – Schulter an Schulter gegen Faschismus!
*1 aus einem Flugblatt von NAV-DEM zum Anschlag in Qamişlo http://civaka-azad.org/is-terror-in-rojava-mindestens-55-tote-bei-anschl…
*2 http://antifapinneberg.blogsport.de/2016/02/02/neumuenster-angriff-auf-k…
*3 http://www.antifa-kiel.org/index.php/suche.html?keywords=Pinneberg+Tigers

Das neue Antifa Infoblatt (AIB) Nr. 111 ist da

Ti­tel­the­ma der 111. Aus­ga­be des An­ti­fa­schis­ti­schen In­f­o­blatts ist: NAZIS VERBIETEN – WIE ERFOLGREICH IST STAATLICHE VERBOTSPOLITIK. Wei­te­re The­men sind unter an­de­rem: Verbot der „Weisse Wölfe Terrorcrew“, NPD: Seriös in die Bedeutungslosigkeit, Der Sturmvogel, AfD und Neue Rechte, Antifa heißt auch raus aus der metropolen Komfortzone. Erhältlich wie immer in den Läden eures Vertrauens ( Infoladen Schwarzmarkt, Schanzenbuchhandlung ) oder direkt beim AIB

Auch eine neue Ausgabe der LOTTA – Antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen ist gerade erschienen, mit einem Schwerpunkt zu Militarismus und extreme Rechte.
Auch das Magazin Der Rechte Rand ist gerade neu mit einem Schwerpukt zur USamerikanischen Präsidentschaftswahl: Welchen Einfluss übt die extreme Rechte in den USA derzeit auf die politische Stimmungslage aus? Wie konnte sich Donald Trump als Kandidat des äußersten rechten Rands in den Vorwahlen behaupten? Wer zählt zu seinen UnterstützerInnen?
Dabei kommt mit der „Tea Party“ auch eine Strömung in den Blick, die in Deutschland zwar vom Namen her bekannt ist, deren Strategien, Ziele und Erfolgsfaktoren aber nur selten untersucht werden.
Für das aktuelle Heft haben ExpertInnen aus den USA und aus
Deutschland die derzeitige politische Lage in den USA analysiert. In einem Interview erläutert David Plotke, Professor für Politikwissenschaft an der „New School for Social Research“ in New York, wie Trumps Erfolg möglich sein konnte und welche Rolle Rassismus und extrem rechte Positionen in der US-Gesellschaft spielen. Der Analyst Stephen Piggot fragt nach der Wirkungsmacht antimuslimischer Ressentiments in den Vereinigten Staaten und Spencer Sunshine wirft in seinem Artikel einen Blick auf rechte Milizen und die so genannte „Patriotenbewegung“. Carl Kinsky beschreibt, wie sich amerikanische Neonazis in Opposition zu Obama brachten und ihn
als Projektionsfläche für ihre Propaganda nutzten. Lawrence Rosenthal schließlich, Leiter des „Berkeley Center for Right-Wing Studies“ der Universität Berkeley (Kalifornien), beleuchtet die konfliktreiche Beziehung zwischen „Republikanern“ und der „Tea Party“ und legt dar, wie Trumps Kandidatur die „Tea Party“ entzweit.

GO GET ORGANIZED! Antifa-Wochenende in Kiel

Die rechtspopulistische AfD ist auf dem Vormarsch, Neonazis rotten sich zusammen und gehen auf die Straßen, Geflüchtete und ihre Unterkünfte werden in Brand gesteckt und angegriffen und der*die sogenannte „besorgte Bürger*in“ stimmt bei Veranstaltungen wie Pegida und Co anfeuernd mit ein. Die bürgerliche Parteienlandschaft geht diesen Diskurs eifrig mit und bastelt an der Verschärfung des Asylrechts und der umfassenden Abschottung Europas. Ein erschreckender Zustand, der in Deutschland Realität ist.

22.07.2016 Antifa Enternasyonal Café

Es ist wieder soweit, Antifa Enternasyonal Café in der Roten Flora
Dieses Mal planen wir miteinander Passagen aus Lieblingsbüchern und -texten, Gedichte, Songtexte und was immer euch inspiriert zu teilen.
Bringt gerne Textstellen und/oder Niedergeschriebenes mit, was euch beflügelt oder geprägt, gestärkt oder zum Lachen und Weinen gebracht hat. Erzählt wieso, weshalb, warum das so ist oder teilt es einfach nur ohne große Reden zu schwingen, vielmehr soll das Teilen von politischer Literatur im Vordergrung stehen. In einer gemütlichen Runde und Atmosphäre können solch kleine, persönliche Dinge im Rahmen des nächsten Cafes miteinander geteilt werden, um anschließend den Abend noch mit dem einen oder anderen Getränk und Schnack ausklingen zu lassen.
Wir bitten darum, dass nicht zu lange Texte vorgelesen werden, da es keine Buchvorstellungen werden sollen.
Antifa Enternasyonal Café, Jeden 4. Freitag im Monat, Einlass 19:00 Uhr, Beginn 20:00 Uhr, Rote Flora
Achidi-John-Platz 1 (Schulterblatt/Hamburg)
Von uns noch zwei Beispiele:

Bis in die späte Nacht werde ich von Anwesenden mit Fragen zur Situation in Europa überschüttet. Alle wollen wissen, wie die Menschen den kurdischen Befreiungskampf dort betrachten, ob die Ziele bekannt sind und was die europäische Bevölkerung darüber denkt. Und immer wieder die Frage, warum es nicht mehr Widerstand gegen jene westlichen Staaten gibt, die die Türkei finanziell und militärisch unterstützen.

aus Der Weg in die Berge, Carola Solina
Aus dem Buch: Autonome in Bewegung, Assoziation A

Im Herbst 1984 wollten wir eine NPD-Veranstaltung im Wedding sprengen. Wir kannten das Spiel: Ein paar halbtote Nazi-Opas, ein paar kurzhaarige junge Schlägertypen, vielleicht ein paar Bullen zum Schutz – so war es meistens in den 80ern. Gefährliche Nazis gab es nur in Hamburg. Wir führen unvorbereitet los, sammelten uns gemütlich auf offener Straße und wurden unvermutet von einer organisierten Gruppe Neonazis angegriffen und innerhalb von Sekunden auseinandergenommen, einer von uns blieb schwer verletzt liegen. Das war die Geburtsstude einer “neuen” Antifa in Berlin. Wir gründeten ein Antifa-Plenum und eine Info-Zeitschrift, fingen an, mit Fotoapparaten zu arbeiten, nahmen erkannten Nazis die Ausweise ab, hatten die Knüppel schnell griffbereit und fuhren zu den norddeutschen Antifa-Treffen. Die wenigen “alten” autonomen Antifa-Leute, die teils schon seit vielen Jahren zähe Recherche-Arbeit geleistet hatten, bekamen endlich breitere Unterstützung.

Am Samstag (23.7.2016) gibt es in Hamburg eine große Demonstration unter dem Motto “Weder Militärputsch, noch AKP-Diktatur! Stoppt Erdogans Staatsterror! – für eine Demokratisierung der Türkei und Kurdistans!” Mehr Infos

Hamburg/Beaumont-sur-Oise: Stop Racist Police Brutality – Adama Traoré nach brutaler Festnahme verstorben

+ Tout le monde déteste la police +

Am Dienstag den 19.07. ist Adama Traoré in Beaumont-sur-Oise brutal von den Cops festgenommen worden, nach offziellen Versionen verstarb er im Polizeigewahrsam einen plötzlichen Herzinfakt. Die Familie und Zeugen widersprechen dieser Version. Bei der Festnahme soll Adama Traoré von fünf – sechs Cops massiv geschlagen worden sein, sagen Zeugen. Der Grund der Festnahme war eine Personalienfeststellung gewesen.
Am Mittwoch versammelten sich Freunden und Familienangehörigen vor dem Rathaus von Beaumont-sur-Oise um Adama Traoré zu gedenken. Dieses Treffen wurde von Cops mit Schlagstöcken und Reizgas angegriffen. (Video)
Bei den folgenden Unruhen wurden mittlerweile wohl etwa 35 Autos in Brand gesetzt.
Die Familie und der anwaltliche Beistand durften bis jetzt den Leichnam von Adama Traoré nicht sehen. Nach einer ersten Autopsie sprechen die Behörden von keinen “signifikanten Spuren” von äusserlicher Gewalt.
Für Freitag den 22.07. wird zu einem Schweigemarsch für Adama Traoré in Beaumont-sur-Oise um 17 Uhr aufgerufen.
Kein Vergeben, kein vergessen! Ni Oubli, ni Pardon! Rip Adama Traoré!
Vergessen wir die vielen anderen Fällen von rassistischer Polizeigewalt nicht. Aufklärung & Gerechtigkeit für Oury Jalloh! Auch in Hamburg gehen gerade, nach rassistischen Kontrollen und einer Hausdurchsuchung am 18.07. in der Hafenstr, mehre 100 Leute jeden Abend auf die Straße. (Infos: #NoRPHH) Stoppt die rassistischen Kontrollen! Rip Jaja Diabi

Hannover: Kundgebung zum Gedenken an Halim Dener

Es herrscht wieder Krieg in der Türkei: seit letztem Juli werden monatelange Ausgangssperren über kurdische Städte verhängt, Scharfschützen schießen auf die Bevölkerung, ganze Stadtviertel werden bombardiert.
Begleitet wird der Krieg von Angriffen auf demokratische Rechte wie Presse- und Meinungsfreiheit, politische Organisierung und Teilhabe oder sogar Eigentum. Kritische
Journalist*innen und Wissenschaftler*innen werden mundtot gemacht. Abgeordneten wird die Immunität entzogen, Bürgermeister*innen verhaftet. Bewohner*innen, Geschäftsleute und Kommunen der zerstörten Städte werden systematisch enteignet und vertrieben.
Es ist ein Krieg, der von den deutschen Medien nicht einmal als Krieg benannt wird, obwohl mittlerweile hunderte Zivilist*innen getötet wurden. Die Bundesregierung schweigt nicht nur, sie unterstützt das AKP-Regime aktiv und macht sich an dessen Verbrechen mitschuldig. Mit dem Deal zwischen der EU und dem AKP-Regime wird die Türkei zum Türsteher der Festung Europa. Eine halbe Millionen Menschen aus den Städten Nordkurdistans/Südosttürkei sind jetzt auf der Flucht im eigenen Land. Wenn sie keine Friedensperspektive mehr sehen, werden viele von ihnen die gefährliche Flucht nach Europa antreten. Damit ist der türkische Staat nicht Lösung sondern
Ursache des Problems von Krieg und Flucht.
Wir kennen diese Situation und das Verhalten der BRD aus den 1990er Jahren, als schon einmal der türkische Staat Nordkurdistan mit Krieg überzog. Damals wurden 4.000 Dörfer zerstört, Vieh getötet, Felder und Wälder verbrannt, Bewohner*innen vertrieben oder verhaftet und
gefoltert. Menschenrechtsorganisationen zählen 17.000 Morde „unbekannter Täter“. Waffengeschenke aus Beständen der ehemaligen DDR befeuerten den Krieg und zeigen die traditionell guten deutsch-türkischen Beziehungen. Begleitet wurde der Krieg in Kurdistan durch eine mediale Kampagne gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) in der BRD, die 1993 im Betätigungsverbot der PKK mündete. Die gesamte kurdische Bewegung wurde kriminalisiert und zu „Terrorist*innen“ abgestempelt. Kurz zuvor gipfelten deutschlandweit öffentliche Hetze und ein gesellschaftlich weit verbreiteter Rassismus in Pogromen gegen Geflüchtete und Migrant*innen, wie in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen. In der Folge verschärfte die Bundesregierung das Asylrecht.
In dieser politischen Situation wurde Halim Dener in der Nacht vom 30. Juni 1994 in Hannover beim Kleben von Plakaten durch bewaffnete Polizeibeamte in Zivil überrascht und erschossen. Krieg, Flucht, Kriminalisierung und rassistische Polizeigewalt haben zum Tod von Halim Dener geführt; sie sind heute so aktuell wie in den 1990er Jahren.
Auch heute werden Menschen wieder zu „Terrorist*innen“ gemacht: Menschen, die sich in der kurdischen Bewegung oder der Demokratischen Partei der Völker (HDP) engagieren. Wieder wird versucht, alle, die solidarisch mit dem Kampf in Kurdistan und der Türkei für Demokratie und Menschenrechte sind, zu kriminalisieren. In Hannover traf es z.B. das UJZ Kornstraße, in dem sich kurdische Gruppen treffen. Die Stadt Hannover forderte ein Wandbild zu entfernen, das in Gedenken an Halim Dener entstand. Es folgte eine Razzia, um angeblich nach Material der PKK zu suchen, gegen Verantwortliche des Vereins laufen Ermittlungen.
Damals wie heute lässt sich fragen: Wer verbreitet überhaupt „Terror“? Sind es diejenigen, die versuchen eine Gesellschaft ohne Rassismus und Sexismus zu verwirklichen? Oder sind es nicht vielmehr diejenigen, die diese Bestrebungen in Kurdistan im Kugelhagel und den Knästen ersticken? Was ist mit denjenigen, die solidarische und internationalistische Aktivist*innen kriminalisieren und tausende Flüchtende im Mittelmeer ertrinken lassen, um ein Regime zu unterstützen, das maßgeblich zu den Kriegen im Mittleren Osten beiträgt?
Die BRD hat zumindest entschieden, dass die PKK als „terroristische Organisation im Ausland“ (§129a und b StGB) zu verfolgen sei. 17 kurdischeAktivsten sind bisher beschuldigt, Mitglieder der PKK zu sein. Die bisherigen Gerichtsurteile sahen stets langjährige Haftstrafen vor. Derzeit werden u.a. die beiden Aktivisten Mustafa Çelik und Kenan Baştu in Celle angeklagt.
Ähnlich geht es derzeit zehn Aktivist*innen der Konföderation der Arbeiter*innen aus der Türkei in Europa (ATIK). Ihnen wird zur Last gelegt, Mitglieder der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) zu sein. Konkrete Handlungen werden ihnen nicht vorgeworfen, nur die Mitgliedschaft in einer Organisation. Die TKP/ML soll „terroristisch“ sein, ist in der BRD jedoch nicht einmal verboten! Das Material, das gegen die Angeklagten in Anschlag gebracht wird, stammt zum größten Teil von den türkischen Behörden selbst.
Die PKK fordert seit Jahren einen Dialog mit der türkischen Regierung. Die Repression gegen sie wird trotzdem fortgesetzt, die BRD hält am PKK-Verbot fest. Die Bundesregierung folgt damit den Vorgaben der Türkei.
Schon in der Verbotsbegründung 1993 hieß es: „Eine weitere Duldung der PKK-Aktivitäten in Deutschland würde die(se) deutsche Außenpolitik unglaubwürdig machen und das Vertrauen eines wichtigen Bündnispartners, auf das Wert gelegt wird, untergraben.“ Heute sagt Innenminister DeMaiziere: „Allen, die uns jetzt sagen, man muss die Türkei von morgens bis abends kritisieren, denen rate ich, das nicht fortzusetzen. Wir haben Interessen….“
Diese Interessen der Bundesregierung entsprechen nicht den Interessen der Breite der Gesellschaft und ihrem Wunsch nach einem friedlichen und demokratischen Zusammenleben.
In den letzten Jahren baut die kurdische Bewegung Selbstverwaltungsstrukturen in Nordkurdistan und Rojava/Nordsyrien auf, rettete zehntausende Êzîd*innen, leistet am effektivsten Widerstand gegen den sog. Islamischen Staat (IS) und ist mit der HDP ins türkische Parlament eingezogen. Angesichts dieser Entwicklungen fordern wir, die Verfolgung von Aktivist*innen kurdischer und türkischer Bewegungen sofort einzustellen.
Die Gesellschaft in der BRD fordern wir hingegen auf, gegen die Politik der Bundesregierung zu protestieren. Krieg, Flucht, staatliche Repression und Polizeigewalt sind ungelöste gesellschaftliche Fragen. Sie haben zum Tod von Halim Dener geführt, ein würdevolles Gedenken an ihn ist ein Teil des Umgangs mit den Problemen von heute.
Kommt daher zur Kundgebung
Donnerstag, 30.06.2016; 18.00 Uhr, Steintor/Hannover

Refugees welcome! Weg mit dem EU-Türkei-Deal! Weg mit dem Verbot der PKK! Freiheit für alle politischen Gefangenen! Hoch die internationale Solidarität!
INFOS: halimdener.blogsport.eu

RESIST TO EXIST – FIGHT WARZONE CAPITALISM!

„Erst wenn das Eis bricht wirst Du wahrhaftig wissen, wer Dein Freund und wer Dein Feind ist.“ Sprichwort der Inuit
Am 21. Juni 2016 wollen sich auf Einladung des Kieler “Institut für Sicherheitspolitik” (ISPK) sowie des Think Tank “Center of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters” (COECSW) im Rahmen der Kieler Woche abermals geladenene NATO-Generäle und ihre Verbündeten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zum nunmehr zweiten Mal zur sogenannten “Kiel Conference” im Düsternbrooker Hotel Bellevue zusammenfinden. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat die Konferenz das Ziel, als internationale Zusammenkunft führender Vordenker, Akteure und Profiteure der NATO-Kriegspolitik die Grundlagen ihrer militärischen, wirtschaftlichen und geostrategischen Bestrebungen zu bestimmen. Widmete man sich 2015 der “maritimen Sicherheit”, d.h. der vorsorglichen Kriegsvorbereitung gegen Russland im Ostseeraum, steht in diesem Jahr unter der Überschrift “Cool Dispassion or Hot-Button Topic: The High North” die Arktis auf der Agenda der Kriegsstrategen.
Warum gehören solche, auf den ersten Blick vielleicht skurril anmutenden, elitären Planspiele am Nordpol dringend mit antimilitaristischem Widerstand konfrontiert? Mittlerweile ist nahezu die gesamte Erde durch den patriarchalen Unterwerfungswahn von Mensch und Natur und seinem ökonomischen Spiegelbild, der brutalen kapitalistischen Konkurrenz und Ausbeutung, aufgeteilt und zur systematischen Ausplünderung verwertbar gemacht worden. Die Kieler Kriegskonferenz ist nun nicht weniger als Teil der strategischen Vorbereitung der NATO-Staaten auf die in den kommenden Jahrzehnten bevorstehende Schlacht der imperialen Mächte um den Zugriff auf die reichhaltigen Bodenschätze der Arktis. Während die Polarkappen schmelzen und eine weitere ökologische und soziale Katastrophe naht, wittern die globalen ökonomischen und militärischen Großmächte unter dem schwindenden Eis einen der letzten noch offenen Big Deals und rüsten sich wechselseitig zur kriegerischen Ausschaltung ihrer Konkurrenz. Die Vorfreude bei den NATO-Ideologen ist groß in Anbetracht dieses nächstes Großangriffs auf unser aller Leben. Es liegt an uns, ihre perfiden Pläne zur weiteren Zerstörung der menschlichen Existenzgrundlagen im Namen des Profits zu durchkreuzen. Fangen wir vor unser Haustür damit an. Beteiligt Euch an den antimilitaristischen Aktionen gegen die “Kiel Conference” 2016!

“Kiel Conference” – harmloses Stelldichein oder Kriegskonferenz?
So harmlos die Themen und maritimen Fragen der diesjährigen Konferenz im ersten Moment klingen mögen, dahinter stehen handfeste geopolitische und ökonomische Interessen, die notfalls mit militärischer Gewalt durchgesetzt werden sollen. Die Militärs werden sich weiter und nachdrücklicher auf einen Krieg auch zu Wasser vorbereiten, der den Ausbau dessen umfasst, was in der „modernen“ Kriegsführung als „asymmetrischer Krieg“ bezeichnet wird. Dazu gehört die Kontrolle von Migrationsbewegungen und Krieg gegen die durch Armut erstarkende Piraterie, Niederschlagung von Aufruhr und Revolten, denn „etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt in Küstengebieten, und es wird erwartet, dass dieser Anteil in den kommenden Jahren noch weiter steigen wird.“ Dadurch wird der Ausbau der maritimen Militarisierung als notwendiges Zukunftsprojekt erachtet. Denn „in Gebieten mit starkem Bevölkerungsdruck […] wird der Klimawandel die wegen knapper Ressourcen bereits bestehenden Konflikte weiter anheizen, vor allem wenn der Zugang zu diesen Ressourcen ein Thema des politischen Kräftespiels wird.“ (Klimawandel und internationale Sicherheit, Papier des Hohen Vertreters und der Europäischen Kommission für den Europäischen Rat 2008)
In einem Strategiepapier für maritime Sicherheit wird die Bedeutung der strategischen Ausrichtung der EU und Deutschlands offen formuliert, indem ein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen maritimen Interessen und Europas Wachstum und Sicherheit geäußert wird. Schließlich ist Europa nicht nur im Bereich des Tourismus‘ und Verkehrs auf die Meere und Ozeane angewiesen, sondern vor allem auf Handelswege und die Absicherung der Energieversorgung. (Elemente einer Strategie der Europäischen Union für maritime Sicherheit, Europäische Rat 2014)
Die Verantwortlichen aus Militär, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft werden sich am 21. Juni 2016 auf der “Kiel Conference” zusammensetzen, um die Fragen der Zukunft in diesem Jahr anhand der Arktis zu beantworten: Das „Problem“ wird aus dem Zusammenhang gerissen und in immer kleinere Teile isoliert. Die Antwort ist dann in einem von allen anderen Problemen und dem Leben selbst entfremdeten Zustand und kann als Wahrheit mittels Powerpoint an die Wand projiziert werden. Dies wird dann vom lauten Beifall irgendwelcher Fachidioten begleitet. Dabei sind es die stillschweigenden Grundannahmen einer solchen Konferenz, sie könnten alles kontrollieren, profitabel machen und beherrschen, die keine Probleme lösen sondern sie verschärfen und neue schaffen.
Auch wenn die geladenen Gäste der “Kiel Conference” dies alles anders formulieren, vielleicht sogar ein ums andere Mal Bedenken äußern werden, die Richtung ist klar, die Leitlinien gesetzt und die Diskussionen und Strategien sind nicht erst mit der “Kiel Conference” ins Rollen geraten. Dennoch ist die “Kiel Conference” als ein Ort des Austauschs und der Strategieentwicklung richtungsweisend und nicht zu unterschätzen. Deshalb werden wir die dort Anwesenden dementsprechend mit unseren Antworten praktisch und theoretisch konfrontieren.
Der Run auf die Arktis
Dass die EU und ihr voran Deutschland – nachdem sie jahrzehntelang den Fokus auf den Mittleren Osten als Ressourcen spendende Quelle gelegt hatten – nun die Arktis ins Visier rücken, ist nicht verwunderlich. Dass dabei alle „Werkzeuge der nationalen Macht benötigt“ werden, wie es im Tagungsplan der “Kiel Conference” heißt, um jedes Hindernis aus dem Weg zu räumen, welche zwischen Deutschland und den Bodenschätzen liegen, ist nur allzu klar: „Die Bundesregierung sieht die Arktis als eine Region im Wandel, deren geopolitische [und] geoökonomische Bedeutung für die internationale Gemeinschaft durch Klimaerwärmung und rasant beschleunigende Eisschmelze stetig wächst. Die Bundesregierung strebt daher an, den Besonderheiten der Arktis Rechnung zu tragen und sie zu einem zentralen Gegenstand deutscher Politik zu machen […], sieht das große ökonomische Potenzial […] bei der Erschließung von Rohstoffvorkommen in der Arktis und die sich daraus[…] bietenden Perspektiven für die deutsche und europäische Wirtschaft.“ (Leitlinien deutscher Arktispolitik, Auswärtiges Amt 2013). Doch niemand will auf die Eistorte verzichten, sodass die eigentlich als veraltet angesehene Blockkonfrontation als sehr wahrscheinliches Szenario plötzlich wieder am Horizont auftaucht. In Nato-Großmanövern in der Arktis wird zwischen Eisbärbabys eifrig der (nukleare) Schlagabtausch mit Russland geübt. Denn alle wollen die Ersten sein, wenn der Zugang zu den arktischen Ressourcen frei wird.
Die Eisschmelze lässt die seit Millionen von Jahren eingeschlossenen Vorkommen von Öl, Gas, Kupfer, Silber und Gold in menschliche Erreichbarkeit rücken. Auch die Handelsrouten zwischen den Industriezentren werden sich durch das im Sommer eisfreie arktische Meer immens verkürzen lassen und neue Fischgründe werden den hoch technisierten Fangflotten preisgegeben. Doch bei all der Euphorie wird vergessen, dass die Arktis als Klimaanlage der Erde fungiert, die durch Reflexion 80% der Sonnenstrahlung ableitet und so die Erderwärmung verzögert. Gehen diese Eisflächen verloren, wird durch den Wasserpegelanstieg der nächste Regulationsmechanismus, der Golfstrom, abbrechen, die Permafrostböden tauen auf und setzen das im gefrorenen Boden gebundene Methan und Kohlenstoff beim Abbau als Kohlendioxid in die Atmosphäre frei, welches wiederum die Erwärmung weiter treibt. So befinden wir uns in einem unaufhaltsamen Kreislauf. Wenn aufgrund der rasant wachsenden Wasserknappheit hier der Lebensmittelpreis ansteigt (ein Beispiel: die Produktion eines Kilo Kaffee verschlingt umgerechnet 21.000 Liter Wasser), ist das nur das letzte Glied einer Kette, in der mittendrin eine Zahl von weltweit etwa 4 Mrd. Menschen steht, die jetzt schon an Wasserknappheit leiden bzw. kaum bis gar nicht über sauberes Trinkwasser verfügen. Diese Phänomene werden sich mit fortschreitender Klimaerwärmung noch verschärfen. Das Abschmelzen der Polkappen und der Gletscher als Hauptwasserspeicher stellen in dieser Kette nur ein Glied dar, wenn auch ein sehr relevantes.
Wir können die Verschlungenheit hier in ihrer Gesamtheit nicht darstellen und das müssen wir auch gar nicht. Aber im Gegensatz zu uns steht hinter der “Kiel Conference” ein ganzer hoch bezahlter Apparat von menschlichen Rechenschiebern, die durchaus in der Lage wären, den Dominoeffekt vorauszusehen, der zu der ohnehin schon prekären Arktissituation hinzukommen wird, wenn sich ans Abschürfen, Anbohren, Aufbrechen und Umgraben gemacht wird. Und sie tun es auch, können und wollen aber, wie schon beschrieben, die Stopp-Taste nicht drücken. Denn die Rechnung mit der Katastrophe ist aus Sicht des Kapitals durchaus rentabel, wenn Wasser schon als das zukünftige Öl gehandelt wird. Oder wie es die Goldman Sachs Group Inc. offen ausspricht: es biete „enorme Belohnungen für Investoren, die wissen, wie man während des kommenden Investitionsbooms zu spielen habe.”
Wer glaubt, dass das Zusammenrücken der Kontinente den Bedarf einer kooperativen Verständigung erhöht, wer glaubt, dass das Abschmelzen der Polarkappen Fragen von Verantwortlichkeiten für die Zukunft zwangsläufig drängend werden lässt, wird eine solche Perspektive vergeblich in den Reihen der Regierung und Wirtschaft suchen. Der Wissenschaftsbetrieb liefert die entsprechenden Zahlen und Daten, wie schneller und effektiver an die unter dem Eis befindlichen Rohstoffe heran zu kommen ist und kooperiert eng mit Wirtschaft und Militär bei der Entwicklung von besseren Gerätschaften, sei es für Bohrarbeiten oder Kriegsgerät. Dabei scheint kein Gedanke daran verschwendet zu werden, wie viele Opfer dieser imperialistische Gedankengang weltweit mit sich bringt.
Ressourcenabbau, Flucht und Militarisierung
Der Run auf die Rest-Ressourcen dieser Erde und der Ressource „Erde“ an sich, ist nicht nur in der Arktis zu sehen. Die Zusammenhänge von kapitalistischer Produktionsweise und Raubbau treten an einigen Stellen schneller und offensichtlicher zu Tage, an anderen lassen sich die Folgen erst nach Zeiträumen erkennen, die die Ursachen fast zum Verschwinden bringen. Ein Beispiel dafür ist der durch die Finanzkrise ausgelöste erneute „Land grabbing“-Boom im globalen Süden, also das Vordringen in die letzten Zipfel der Erde und deren Ausbeutung und Nutzbarmachung in bester kolonialistischer Tradition durch Regierungen und Großkonzerne des globalen Nordens, also auch Deutschlands. Das „Land grabbing“ beinhaltet gleichzeitig immer auch ein „Ressourcen grabbing“ wie z.B. das nach Wasser. Bei dieser „Erschließung“ gehört die Vertreibung und Ermordung von Kleinbauern durch einheimischen Regierungen zur normalen und anerkannten Prozedur. Dieser Boom ist der Reflex der neuen alten Erkenntnis, dass auch das Finanzkapital kein Perpetuum mobile ist, sondern einer stofflichen Grundlage, also Rohstoffen bedarf, um Profit zu generieren.
Das was sich im Globalen Süden u.a. in brutalem Landraub, der Zerstörung von Subsistenzwirtschaft und der Verseuchung ganzer Landstriche durch Pestizide, Genmanipulation und Geschwindigkeitsindustrialisierung niederschlägt, treibt weitere Milliarden von Menschen in den Hungertod und in die Flucht. So stellen z.B. die Bewoher*innen der pazifischen Inselstaaten Kiribati und Tuvalu schon Anträge auf Asyl, weil ihr Absaufen nur noch eine Frage von ein paar Jahrzehnten ist. Zudem gehen die offiziellen Prognosen der zu erwartenden Migrationsbewegung nur aufgrund der Klimaveränderung um das Jahr 2050 von ca. 100 Mio. flüchtenden Menschen aus, wobei die Geflüchteten aufgrund von Kriegen etc. noch nicht eingerechnet sind. Doch Europa gerät schon jetzt in Panik, wenn nur ein Bruchteil der Geflüchteten vor unserer Haustür steht.
Die Politik, die als Garant dafür gilt, den freien Welthandel und die Kapitalverwertung ungehindert am Laufen zu halten und auch weiterhin ungebremst durchzusetzen, schafft die dafür passenden Gesetze, die eine Militarisierung im Innern und nach Außen immer offensichtlicher zu Tage treten lassen. Die Abschottungspolitik und die im Eiltempo durchgepeitschten Asylgesetzverschärfungen sind keine spontanen Reaktionen, sondern eingebettet in eine europäische Politik, die sich seit Jahren auf die Migrationsbewegung vorbereitet. Das European Institute for Security Studies (EUISS), welches als offizieller Think-Tank der EU-Außen- und Sicherheitspolitik fungiert, formuliert dies so: Wir befänden uns in einem Krieg der “ungleichen sozioökonomischen Klassen der Weltgesellschaft”, also einem Krieg innerhalb der “hierarchischen Klassengesellschaft”, bestehend aus metropolitaner “Eliten“ und den “unteren Milliarden”, gegen die das „gesamte Spektrum hoch intensiver Kampfmaßnahmen” anzuwenden sei. Dabei bestünde eine der zentralen Aufgaben darin, in groß angelegten “Sperroperationen” die reichen Teile der Welt vor den „Spannungen und Problemen der Armen (zu) schützen”, aber auch vor den Armen im eigenen Land. Diskussionen um den Ausbau der Inlandseinsätze der Bundeswehr sind auch eine Vorbereitung auf die immer weiter auseinanderklaffende Schere der ökonomischen Eigentumsverteilung in Deutschland und die daraus resultierenden Unruhen auch hierzulande.
Wachstum über alles – Kapitalismus vs. Ökologie
Auch wenn der Glaube an Wachstum ohnehin ungebrochen ist, scheinen sich doch immer wieder neue Reichtumsquellen erschließen zu lassen. Fast schon nebenbei wird eine Kosten-Nutzen-Rechnung der Klimakatastrophe aufgestellt, in der die Erderwärmung zumindest für die nächsten 50 Jahre grundsätzlich für den globalen Norden als eher positiver Effekt behandelt wird. Die verhungernden Menschen im Globalen Süden tauchen in dieser Rechnung überhaupt nicht auf, schließlich tragen sie nach der Logik des Kapitals kaum etwas zum beschworenen Wirtschaftswachstum bei. Denn Kapital muss „wachsen“, aus Geld muss mehr Geld werden, es muss Profit entstehen. Dabei muss sich auf dem Markt gegen die anderen Konkurrenten durchgesetzt werden, mit der Folge, dass immer mehr, immer billiger produziert werden muss. In diesem Prozess der Konkurrenz wird mehr und mehr die menschliche Arbeitskraft aus dem Produktionsprozess herausgenommen. Deshalb wird der Mensch im Zuge der Produktivkraftentwicklung durch Maschinen, Mikroelektronik usw. ersetzt. Je größer die Produktivkraftentwicklung, desto mehr Ressourcen können zu Waren umgestaltet werden. Jene Unternehmen, die billiger und schneller mehr Waren auf den Markt bringen, setzen sich gegen ihre Konkurrenten durch und können mit noch größeren Marktanteilen einen weiteren Vorteil erringen. Es werden wiederum mehr Ressourcen benötigt, was einen ungeheuer hohen Energieaufwand bedeutet. Durch den immer intensiver werdenden Verschleiß geraten wir jetzt an die Grenzen des Wachstums. Können keine neuen Ressourcen mehr gewonnen werden oder sind schlussendlich keine mehr da, ist ein Kollaps des Kapitals in Sicht, der auf einen viel größeren ökologischen Kollaps verweist. Dann verhält es sich, wie mit Goethes Zauberlehrling. Anders als in dem Gedicht wird der Hexenmeister diese Situation jedoch nicht richten können. Denn in diesem Sinnbild ist er als das Kapital zu verstehen, welches in seiner eigenen Logik gefangen bleiben muss und sich auch nicht anders zu helfen weiß, als noch schlimmere Geister und Mächte zu entfesseln.
Kapitalismus und Ökologie stehen im unvereinbaren Widerspruch. Die Geschwindigkeit, in der diese beiden Pole auseinanderdriften, steigert sich in dem Maße, wie der Wachstumszwang des Kapitals an Fahrt aufnehmen muss, um dem Fall des Profitniveaus etwas entgegensetzen zu können. Dabei hilft es auch nichts, innerhalb dieses Systems von ökologischeren oder umweltschonenderen Techniken und erneuerbaren Energien zu reden. Wenn die Politik von Nachhaltigkeit redet, ist diese Begrifflichkeit an Unbestimmtheit kaum zu überbieten. Wenn, wie auf der Kiel Conference, ein Fachmann für Klimafragen eingeladen wird, ist dies nichts anderes als eine Form von „Greenwashing“ und ein Geschäft mit einem aus Sicht des Kapitals weiteren Produktionszweig. Auch ein Unternehmen, welches Solarpanels herstellt, ist den selben Marktgesetzen unterworfen, muss in Konkurrenz bestehen, will und muss aus Geld mehr Geld generieren. Muss also Arbeitskraft aus dem Produktionsprozess herausnehmen, muss auf Ressourcen verschleißende Maschinen umstellen usw. Der Ökotouch entlarvt sich durch dieses Prinzip als Schwindel. Die „gesunde“ Sojabohne wird auf enteignetem Land, auf ehemaligen Regenwaldgebieten in Monokulturen angebaut, die Herstellung eines Autos, welches z.B. einen geringeren Benzinverbrauch hat, verbrennt in der Herstellung deutlich mehr an Rohstoffen und Energien als ein Auto mit höherem Benzinverbrauch und ist auf dem Markt nur für Leute erschwinglich, die sich „Umweltschonung“ leisten können, womit das „Ökoauto“ ad absurdum geführt wird. Wir müssen die Illusion zerstören, dass es einen Kapitalismus geben kann, der nicht die Umwelt zerstört!
Weil das Leben mehr zu bieten hat: Für die soziale Revolution!
Die gegenwärtige Welt befindet sich in einem permanenten Ausnahmezustand, von Frieden angesichts eines global wütenden Krieges kann längst keine Rede mehr sein. Wir überschreiten den Kipppunkt im Klimasystem und das „Peak everything“ ist keine bloße Dystopie einiger moderner Maschinenstürmer*innen mehr. Wir sind gezwungen, entweder offenen Auges ins Verderben zu rennen oder aber mit der Religion „Wachstum“ und der Autoritätshörigkeit gegenüber dem System zu brechen. Ein System, welches auch noch die höchsten Leichenberge mit einem Bagger beiseiteschieben wird, um nach den sich darunter befindenden „Ressourcen“ wie Trinkwasser zu graben. Oder aber die Bagger ins gar nicht mehr so ewige Eis verfrachten will. Mit dem Abtauen der Arktis durch die Klimaerwärmung scheint für einige der Traum von der schier endlosen Existenz von nichterneuerbaren Rohstoffen wahr zu werden, der sich bei genauerem Hinsehen aber unweigerlich als Albtraum entpuppen wird.
Die geladenen Redner*innen auf der “Kiel Conference” und auf ähnlichen Konferenzen und Think Tanks, in den Regierungen, in der Wirtschaft oder beim NATO-Planungsstab haben sich entschieden. Und wir müssen uns ums Verrecken auch entscheiden, ob wir dieser Logik folgen und die Verantwortlichkeit weiter abschieben wollen. Denn die Frage ist, wie wollen wir leben und wie holen wir zurück, was uns gehört? Den Fragen über die Zukunft und den damit verbundenen Existenzängsten kann sich wohl keine*r mehr entziehen. Jede Krise, die in ihrer Komplexität auf globaler Ebene eine kaum überschau- und erfassbare Größenordnung angenommen hat, findet im Alltag eines Jede*n ihren entsprechenden Ausdruck. Denn obwohl wir hier in den Metropolen zwar noch unter ökonomisch scheinbar sicheren Umständen leben, lassen sich die Krisen der bestehenden Weltordnung selbst durch noch höhere und tödlichere Grenzen um Deutschland nicht mehr aus unserem Leben verdrängen. So wie das Platzen der nächsten Finanzblasen nur eine Frage von immer kürzer werdenden Abständen sein wird, so platzen die Träume von schier endloser Verbrennung von Ressourcen, einem sicheren Lebensabend, Konsum nach Lust und Laune und einem Europa in Frieden und Wohlstand. Die Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit entlarven sich als Lüge. Eine Lüge, die von Anfang an verdeutlichte: der Mensch steht nicht im Mittelpunkt dieser Ideologie, er ist nur Mittel zum Zweck. Auf Gedeih und Verderb sind wir ihr ausgeliefert, nur von Nutzen oder aber hinderlich beim Selbsterhalt der großen Profitfabrik des Kapitals, welche Mensch und Natur dem gnadenlosen Verschleiß preisgibt.
Anstatt Land und Ressourcen im Kampf um Marktanteile bis zur Unfruchtbarkeit und dem Verschwinden auszubeuten, und damit den Hungertod und die Armut weiterer Teile der Welt zu legitimieren, muss eine gemeinsame und ökologische Nutzung von kommunalen landwirtschaftlichen Flächen und der Güterproduktion aufgebaut werden. Statt die Verantwortlichkeiten für unser Leben weiterhin zu delegieren, müssen wir die Entscheidungen gemeinsam und auf Augenhöhe treffen: Auf Nachbarschaftstreffen und Stadtteilversammlungen, in Produktionskollektiven und im Sinne aller, nicht unter dem Diktat derjenigen, die sich mit dem Recht des Stärkeren durchsetzen. Die repräsentativ-demokratische Verwaltung unseres Lebens ist mit Privateigentum und Konkurrenz unmittelbar verknüpft und die dadurch verursachte (soziale) Armut, die Entfremdung untereinander und von uns selbst, die alltägliche Leere lässt sich nicht durch den Versuch der Anhäufung von mehr Statussymbolen und mehr Privatbesitz auffüllen. Wenn wir die Verwertungslogik des Kapitals überwinden, den gesellschaftlichen Reichtum im globalen Maßstab umverteilen, kollektiv und selbstverwaltet die Güter unseres Lebens produzieren und die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellen, kann es eine Alternative zu einer Welt aus Wüste und Salzwasser geben.
Kiel ist Kriegsgebiet – die NATO-Konferenz versenken!