8.Mai 65. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus in Pinneberg

Am 8.Mai 2010 haben ca. 40 Antifaschist_innen an der Gedenkkundgebung der Antifaschistischen Initiative Kreis Pinneberg und der Jüdischen Gemeinde Pinneberg teilgenommen.
Gleichzeitig fand in Elmshorn ein antifaschistischer Stadtrundgang statt.
Hier eine der Reden die gehalten wurde:

    Heute am 8. Mai 2010 jährt sich zum 65. mal die endgültige Kapitulation Nazideutschlands. Der 8. Mai steht für die Befreiung von der Nazidiktatur, für die militärische Zerschlagung und die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Dies ist für uns ein Grund zum feiern!
    Am 3. Mai 1945 haben Elmshorner Antifaschist_innen dazu aufzurufen weiße Fahnen zu hissen, was auch geschah wie z.B. an der St. Nikolai Kirche in Elmshorn. Hinrich Lohse, Oberpräsident der Provinz Schleswig-Holstein wollte daraufhin ein Polizeibataillon entsenden um die Macht der Nationalsozialisten gewaltsam wiederherzustellen, was allerdings durch britische Truppen verhindert wurde. Pinneberg wurde am 4. Mai 1945 von britischen Truppen einen Tag nach Hamburg befreit. In den Jahren nach 45 setzte eine Zeit des Verdrängens und Vergessens ein. So wurde z.B. der Gedenkstein, vor den wir uns befinden, schon 1948 errichtet und am Bahnhof, als Gegengewicht zum Gefallenenehrenmal aufgestellt, wurde allerdings bereits 1953 in die hinterste Ecke des Friedhofs verschoben und erst 1987 hier, vor dem Rathaus aufgestellt. Bei den drei Personen deren Namen auf den Gedenkstein stehen handelt es sich um ehemalige Stadtverordnete, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Heinrich Geick Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands wurde am 25.4.1934 zusammen mit Wilhelm Dahms, ebenfalls KPD wegen Vorbereitung zum Hochverrat verhaftet. Beide und andere wurden deshalb am 8.5.1934 vom in Altona tagenden 3. Strafsenat des Kammergerichts Berlin verurteilt. Geick musste mit seinen über 60 Jahren für 1 Jahr ins Gefängnis nach Neumünster, wo er am 13.2.1935 aufgrund mangelnder ärztlicher Versorgung ums Leben kam. Wilhelm Schmitt von der SPD starb am 3. Mai 1945 auf den Häftlingsschiff „Cap Arcona“, welches versehentlich von britischen Bombern versenkt wurde. Heinrich Boschen, auch SPD, starb am 4. Oktober 1944 im KZ Neuengamme. Allein in den Jahren 1933/34 wurden 187 Personen verhaftet von denen 88 ins Konzentrationslager eingeliefert wurden. Der Naziterror in Pinneberg beschränkte sich nicht nur auf deren politische Gegner, sondern auch auf andere Menschen die nicht in ihr Weltbild passten wozu auch Menschen mit sogennanten Behinderungen, als sogennante „Zigeuner“ verfolgte, Juden, Homosexuelle und andere gehörten.
    In Pinneberg wurden auch ausländische Zwangsarbeiter_innnen in verschiedenen Betrieben wie z.B Ilo-Werke, Wuppermann, Emaillinwerk eigesetzt und untergebracht. Vielle Zwangsarbeiter wurden auch in Baumschulen im Kreis wie z.B. bei Strobel und Wohlt beschäftigt. Die meisten Arbeitskräfte waren polnische Gefangene aber auch Menschen aus Frankreich , Jugoslawien, Niederlande, Belgien, Sowjetunion und andere Nationalitäten waren in Pinneberg. Noch heute gibt es auf dem Pinneberger Stadtfriedhof Grabplatten die an den Tod von Zwangsarbeitern aus Osteuropa erinnern.
    Im Kreis Pinneberg gab es auch eine Aussenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme die sich in Wedel befand.
    Aber auch heute noch gibt es in Pinneberg Nazi-aktivitäten.
    Auch wenn die Kameradschaft Elbmarsch und Combat 18 Pinneberg so nicht mehr existieren.
    So wurde am 18. Juni 2008 die Jüdische Gemeinde in Pinneberg angegriffen und ein Stein in deren Gebetsraum geschleudert. Später wurde der Vorsitzende der Gemeinde angerufen wo sich der oder die Täter_innen mit ” Das könnte euch noch öfters passieren,Sieg Heil” meldeten. Am 08 Juli 2008 wurde das Tor zum Jüdische Friedhof in Elmshorn von Unbekannten beschädigt.
    Auch 2009 gab es keine Unterbrechung von Aktionen von Nazis. So veranstalteten Nazis aus dem Umfeld von Thomas Wulf und Thiessen, NPD Westküste mit Ingo Stawitz und der sog. ” Jugend Pinneberg” eine Demonstration in Pinneberg am 06. Juni 2009.
    Auch zur Kommunalwahl in Schleswig-Holstein 2009 beteiligten sich Nazis aus dem Kreis Pinneberg bei Wahlkampf veranstaltungen. In Pinneberg stand der Elmshorner Nazis Simon Borg als Kandidat für die NPD zur Wahl, so wie der Pinneberger Kai Otzen der auch für den Internet Auftritt der sog. “Jugend Pinneberg” verantwortlich ist.
    Auch 2010 gibt es leider kein Ende von Übergriffen durch Nazis im Kreis Pinneberg so griffen am 1. Januar etwa 25 Nazis ein Haus in Elmshorn an wo Antifaschit_innen drin vermutet wurden. Erst vor wenigen Tagen wurden die ersten drei Stolpersteine in Pinneberg mit schwarzer Farbe übermalt.
    Die Erinnerung an Faschismus, Krieg, Vernichtungspolitik und das, was daraus folgte, sind nach wie vor bestimmend für die deutsche Geschichtspolitik. Während es in den achtziger und neunziger Jahren primär um die Wertung und die Dimension deutscher Verbrechen ging, wird seit Beginn des 21. Jahrhunderts verstärkt die deutsche Opferrolle im Faschismus thematisiert. Darin eingebettet sind die Debatten um die Bombardierung deutscher Städte von Seiten der Alliierten und die Aussiedlung und Vertreibung der deutschen aus zahlreichen Ländern Osteuropas.
    Diesem Wandel der Geschichtspolitik ging die Anerkennung der schuldhaften Seite der eigenen Geschichte voraus und damit einhergehend das vermeintlich moralische Recht, jetzt auch stärker die eigene Opferrolle zu betonen. Es ist nur logisch, dass in Folge dessen eine Verschiebung der Perspektive auf die Verbrechen des Faschismus verbunden war: Nicht mehr aus der Perspektive der eigenen Beteiligung oder Verstrickung in diese Verbrechen, sondern aus der der passiven Rolle des Erleidens dieser Vergangenheit. Im Zuge dieser stärkeren Identifikation mit der Opferrolle kam es zu einer Universalisierung der NS-Erinnerung und einer gleichzeitigen Aufwertung des Opferstatus, der, vor allem in seinem behaupteten Bezug zur NS-Erfahrung, moralischen Mehrwert verspricht. (So wurde der Kosovo-Krieg im Jahre 1999 nicht trotz, sondern wegen Auschwitz legitimiert). Und seit einigen Jahren versucht man auch in Deutschland, Teil einer internationalen Opfergemeinschaft zu werden. Solche Bestrebungen gipfeln dann in Reden wie die der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, zum Tag der Heimat in Berlin, in der Gleichsetzung der Vertreibung der Deutschen in Osteuropa 1945 mit den Opfern der NS-Vernichtungspolitik. Durch diese sprachliche Parallelisierung wird die Shoah regelrecht verharmlost. Und auch dem zahlreichen NS-Vergleiche bei aktuellen internationalen Konflikten – genannt sei hier der Nahostkonflikt – liegt ein moralischer Mehrwert zugrunde.
    Während also die öffentliche Auseinandersetzung mit den konkreten Verbrechen des Faschismus vermehrt hinter die Thematisierung der deutschen Opfererinnerung zurücktritt, wird diese Verunklarung der NS-Vergangenheit noch durch eine zweite Tendenz verstärkt: Neben den Schrecken des Faschismus tritt die Erinnerung an den untergegangenen Realsozialismus, verbunden häufig mit dem geschichtspolitischen Interesse der Parallelisierung dieser beiden Vergangenheiten. Das in bürgerlich-konservativen Kreisen beliebte Gerede von den „beiden deutschen Diktaturen“ soll sowohl zur Dämonisierung der DDR beitragen als auch die Vergangenheit des Faschismus normalisieren, indem sie in eine ganze Kette von „Verbrechensgeschichten“ gerückt wird. Der dafür benutzte Hebel der Totalitarismustheorie ist alt, wird jedoch nichtsdestotrotz immer wieder in die Hand genommen, um fröhlich jede Differenzierung zwischen Faschismus, Stalinismus, DDR und Realsozialismus über Bord zu werfen. Diese Gleichsetzung findet sich auch in der Debatte um das neue Gedenkstättenkonzept des Bundes wieder, das im November 2008 verabschiedet worden ist. Trotz der massiven Kritik u.a. von Volkhard Knigge, dem Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, und von Prof. Salomon Korn vom Zentralrat der Juden in Deutschland konnten die konservativen Vorstellungen insofern umgesetzt werden, als dass der Blick auf die DDR weiterhin unter der Vorgabe der Darstellung der Diktaturelemente erfolgt und der „antitotalitäre Konsens“ als Lehre aus der ‘doppelten Diktaturerfahrung’ festgeschrieben wird.
    Auch in der von Politiker_innen und Medien eifrig geführte Debatte um den Begriff des Extremismus ist man redlich um die Propagierung einer angeblichen „linksextremistischen Gefahr“ bemüht. So werden in dem aktuellen „Andi“-Comic Antifaschismus und Kapitalismuskritik auf den Begriff der Gewalt reduziert. Bisher von staatlicher Seite geförderte Projekte gegen Rechts sollen in Zukunft einem regelrechten Ideologietest zur weiteren Finanzierung unterzogen werden und Stellen gegen „Linksextremismus“ eingerichtet werden. Mit Symbolen wie dem Hufeisen, dessen Ränder sich annähern, wird suggeriert, „Links“- und „Rechtsextremist_innen“ würden sich politisch und ideologisch annähern und bekämpften gemeinsam die demokratische Mitte. Als einzige Alternative wird die „Mitte“ präsentiert, die sich formal auf den Verfassungsstaat bezieht. Die Definition darüber, was als „Mitte“ zu betrachten ist, bestimmen allerdings diejenigen, die an der Macht sind, um sich so ihrer moralischen Legitimität zu versichern. Wer diese Legitimation in Frage stellt und Kritik übt z.B. an institutionellem Rassismus, antisemitischen Projektionen, Heterosexismus oder autoritärem Staatsverständnis, läuft Gefahr, als „linksextrem“ konstruiert und damit selbst aus dem Bereich des politisch Normalen ausgeschlossen zu werden.
    Angesichts dieser Entwicklung der bundesdeutschen Geschichtspolitik und dem Versuch antifaschistisches, herrschaftkritisches und antikapitalitisches Engagement zu delegitimieren ist der Schwur von Buchenwald noch immer als aktuell zu betrachten und stellt für uns als linksradikale Antifaschist_innen einen Ausgangspunkt sowohl für unser Verständnis von Geschichtspolitik dar als auch für den Kampf um eine herrschaftsfreie Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Unter diesen Vorzeichen ist linksradikale Geschichtspolitik in all ihren Facetten als eine Art „Gegenerinnerung“ zur bundesdeutschen Geschichtspolitik zu betrachten, da sie diese in Frage stellt.
    Im Folgenden sei der Schwur von Buchenwald zitiert:
    “Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung! Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel! Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig.”

Es gibt verschiedenste Ansätze, um die Erinnerung an die Menschen zu bewahren, die nicht in das menschenverachtende Weltbild der Nationalsozialisten passten, und deshalb von ihnen verfolgt und/oder ermordet wurden. Doch linksradikale und linke Geschichtspolitik geht über dass Erinnern an bestimmten Tagen im Jahr, wie z.B. den 27. Januar als internationalem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, oder dem 8. Mai als Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus hinaus: So werden Veranstaltungen, alternative Stadtrundgänge bis hin zu Partisan_innenwanderungen organisiert es finden unterschiedliche Aktivitäten zur Störung und Verhinderung von Neonaziaufmärschen statt, Neonazis werden aus ihrer Anonymität gerissen, das jährliche Treffen der Gebirgsjäger und ihren Bundeswehrnachfolgern in Mittenwald wird gestört. … Und … Und … Und … Diese Liste der Aktvitäten könnte noch weiter fortgesetzt werden. Sie stehen beispielhaft für eine gelebte antifaschistische Geschichtspolitik, die eine Verschränkung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft darstellt. Der rote Faden dieser „Gegenerinnerung“ ist die Utopie einer herrschaftsfreien Welt ohne Ausbeutung, autoritäre Strukturen, Rassismus, Sexismus und alle anderen Mechanismen, die einem selbstbestimmten Leben entgegenstehen. Dieser Form der Erinnerung liegt ein aktives Moment zugrunde, ein Moment der Notwendigkeit von Revolte und Gestaltung für die Freiheit eines jeden Menschen. Und aufgrund der herrschenden Verhältnisse werden wir dazu jeden Tag aufs Neue herausgefordert, da wir eine Welt anstreben, die auf Gegenseitigkeit und wechselseitiger Hilfe basiert, und nicht auf Herrschaft und Ausbeutung.
Für uns war der 08. Mai 2010 ein sehr erfolgreicher Tag!
An gleich zwei Orten im Kreis Pinneberg gab es antifaschistische Veranstaltungen und über mehrere Wochen war unser Thema in der Öffentlichkeit.
Danken wollen wir noch allen die unsere Kundgebung besucht haben.
Bis zum nächsten Jahr!
Spasibo, Merci, Thank You, Danke!