Buxtehude: In Gedenken an Gustav Schneeclaus

Vor nun genau 25 Jahren, am 18. März 1992, wurde der Kapitän Gustav Schneeclaus in Buxtehude von zwei Neonazis brutal zusammengeschlagen. Vier Tage später erlag er im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen und verstarb.

Nachdem Gustav Schneeclaus damals die Wohnung seiner Freundin in Buxtehude verließ, traf er am Busbahnhof auf eine Gruppe Nazi-Skinheads, unter ihnen der damals 19-jährige Stefan S. (heute W.) und der 26-jährige Stephan K. Sie kamen ins Gespräch und begannen Alkohol zu trinken. Als Schneeclaus sich negativ über Hitler äußerte, wird er von den beiden Neonazis geschlagen und getreten. Die Täter flüchteten zunächst mit einem Auto, kehrten aber kurze Zeit später mit einem schweren Kantholz bewaffnet wieder zurück. Erneut schlugen sie auf Gustav Schneeclaus ein, bis dieser blutüberströmt am Boden liegen blieb.
Die Neonazis werden kurz nach der Tat gefasst und kommen in Untersuchungshaft. Stefan S. wird zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Haftentlassung avanciert er zu einer überregional bekannten Größe der rechten Szene. Ab 2005 betreibt S. das Geschäft „Streetwear Tostedt“ und etabliert damit einen der größten Szene-Läden im norddeutschen Raum.
Schon seit Ende der 1980er Jahre gehört die Gegend um Tostedt zu den Schwerpunktgebieten extrem rechter Aktivitäten. Immer wieder kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen und brutalen Überfällen durch Neonazis, regelmäßig rangiert Tostedt in der Statistik „rechtsextremer Straftaten“ in Niedersachsen auf einem der vordersten Plätze. Die Gewalt, mit der die Neonazis vorgehen, erreichte dabei 2010 eine neue Dimension: Bei einem nächtlichen Angriff im Mai 2010 versuchten mehr als ein Dutzend Neonazis die Wohnung eines antifaschistischen Jugendlichen zu stürmen, dabei setzten sie Knüppel und Spaten als Waffen ein und verletzten dabei mehrere Menschen teils schwer. Nur einen Monat zuvor brachen im benachbarten Hollenstedt mit Schlagringen und Pfefferspray bewaffnete Neonazis in das Familienhaus eines alternativen Jugendlichen ein. Regelmäßig werden vor allem junge Menschen und deren Familienangehörige bedroht, verfolgt und angegriffen, wenn sie sich offen gegen Neonazis äußern. Ziel der Gewalt der Neonazis ist es, die Region für alternative Jugendliche, Andersdenkende und Antifaschist*innen zu einer „No-Go-Area“ zu machen.
Auch wenn die hiesigen Nazis zuletzt weniger aktionsorientiert auftraten und sich Stefan W. nicht mehr für das zum Online-Shop gewordene Geschäft rund um „Streetwear Tostedt“ verantwortlich zeigt, besteht noch immer ein großes Aggressions- und Mobilisierungspotential. In jüngster Zeit nutzten die örtlichen Neonazis vor allem die öffentlichen Debatten über die aktuellen weltweiten Migrationsbewegungen für ihre Agitation. Beispielsweise versuchten Rechte mit einer öffentlichen Kundgebung im benachbarten Buchholz unter dem Motto „Asylflut stoppen“ im April 2016 gezielt Menschen aus dem bürgerlichen Spektrum anzusprechen, was jedoch dank lautstarker antifaschistischer Proteste misslang.
Darüber hinaus häufen sich in der nord-niedersächsischen Provinz auch extrem rechte Vorfälle, die zwar nicht dem dezidiert gewaltbereitem Neonazi-Spektrum zuzuordnen sind, jedoch ein alarmierender Ausdruck des aktuellen gesellschaftlichen Rechtsrucks sind. So beschäftigen derzeit z.B. Anhänger der in weiten Teilen rechtsextremen und antisemitischen „Reichsbürger“-Bewegung die Behörden im Landkreis Harburg, erst im November 2016 wurden während einer Polizeirazzia bei einem mutmaßlichen Reichsbürger in Neu Wulmstorf mehrere Waffen gefunden. Weiterhin kam es im Januar diesen Jahres zu einer rassistisch-motivierten Messerattacke auf einen Syrer im Buxtehuder Stadtpark. Taten wie diese sind Ausdruck eines menschenverachtenden Weltbilds, welches im Zuge der aktuellen gesellschaftlichen Debatten von Neonazis, AfD, Pegida & Co. stets weiter befeuert wird. Damals wie heute bestimmen sozial-chauvinistische Töne die Diskussion. Geflüchtete und Zugewanderte werden nach ihrer Verwertbarkeit für den „Standort Deutschland“ bewertet und Menschen, die wie auch der erwerbslose Schneeclaus zu gesellschaftlich marginalisierten Gruppen gehören, geraten in das Fadenkreuz sozialdarwinistischer Rhetorik von Rechts.
Umso wichtiger wird in dieser Zeit unser Gedenken. Wir kannten Gustav Schneeclaus nicht persönlich und wissen nicht viel von ihm. Ihn zog es in die Ferne und das Meer war sein Zuhause. Wir wissen jedoch, dass er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt, wie am 18. März vor fast 25 Jahren. Auch wenn wir ihn nicht kannten, so zollen wir ihm für seinen Mut unseren Respekt, denn Schneeclaus hatte die Courage, selbst im Angesichts glühender Hitler-Verehrer nicht über die nationalsozialistischen Verbrechen zu schweigen. Heute ist es an uns, die Wahrheit aussprechen – so wie es Gustav Schneeclaus tat – und die Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus als das zu bezeichnen, was sie waren: Die größten Verbrechen in der deutschen Geschichte. Gerade dann, wenn ein AfD-Politiker wie Björn Höcke das Berliner Shoa-Mahnmal offen als „Mahnmal der Schande“ bezeichnet, wird unser entschlossener antifaschistischer Einsatz umso notwendiger.
Anlässlich des 25. Todestages von Gustav Schneeclaus und angesichts der aktuellen Welle rechter Gewalt wollen wir gemeinsam mit euch auf die Straße gehen, vor Ort gedenken und ein starkes Zeichen für ein solidarisches Miteinander setzen.
Kommt darum zur Gedenk-Kundgebung am 22. März um 18 Uhr am Buxtehuder ZOB. Im Anschluss wird es eine Informationsveranstaltung im Kulturforum am Hafen geben.
Aktuelle Infos: facebook.com/schneeclausgedenken