5.2.: 309-Café zu „Identitäre Bewegung“

Am Sonntag den 5.2. macht die Antifa 309 wieder ihr Café in Steilshoop, Thema ist die “Identitäre Bewegung” die gerade versucht in Hamburg Fuß zu fassen. Auch im Kreis Pinneberg werden gerade immer wieder Aufkleber der “Identitäre Bewegung” verklebt.

– “Die rassistische “Identitäre Bewegung” versucht auch in Hamburg Fuß zu fassen. Doch wer sind diese Leute, wie ernst müssen wir sie nehmen und wie können wir verhindern, dass sie sich in unserer Stadt breitmachen? Es wird einen Input-Vortrag zur Einordnung der “Identitären” geben, im Anschluss wollen wir mit euch über Gegenstrategien reden. Der Vortrag beginnt um 18.00 Uhr, wir freuen uns auf euch 🙂
Es gibt wie immer Getränke und leckere Sandwiches zu günstigen Preisen!
Neben verschiedenen Aufklebern, die ihr gegen Spende im Café mitnehmen könnt besteht auch die Möglichkeit sich mit Material (Flyer,Plakate) für euren Stadtteil einzudecken.” –

Aufstehen gegen Rassismus – Konferenz für Schleswig-Holstein


Als erstes wollen wir euch noch ein frohes Neues Jahr wünschen.
Es wird ein Jahr, in dem wir uns weiterhin mit rassistisch motivierten angriffen, rechten Demonstrationen und fremdenfeindlichen Parolen konfrontiert sehen werden. Es wird ein Jahr, in dem sowohl ein neuer Land-, als auch ein neuer Bundestag gewählt werden wird. Nach wie vor befinden wir uns in einer Situation, in der sich reaktionäre Positionen auf dem Vormarsch befinden. Aber auch der Widerstand gegen jene, die diese Positionen Vertreten, hat sich in den letzten Monaten immer weiter organisiert.
Ob bei Protesten gegen Veranstaltungen der AfD oder den zahlreichen Stammtischkämpfer_innen Ausbildungen: Immer wieder und immer häufiger stehen Menschen in Schleswig-Holstein auf gegen Rassismus.
Das ist eine Beobachtung, die uns Hoffnung schöpfen lässt.
Jedoch sehen wir uns schon bald mit einem Wahlkampf konfrontiert, in dem Rechte und Rassist_ innen koordiniert und mit allen Mitteln versuchen werden ihre menschenverachtenden Positionen öffentlich und offensiv zu vertreten.
Nun gilt es, sich zusammenzuschließen und gemeinsam zu kämpfen!
Wir stehen für eine offene und gerechte Gesellschaft. Wir lassen nicht zu, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden. Unser Ziel ist es, den Rassist_innen in Schleswig-Holstein in diesen Wahlkämpfen entschieden entgegenzutreten. Von Flensburg bis Geesthacht, von Westerhever bis Lübeck werden wir aufstehen, wenn Rassist_innen ihre Stimme erheben.
Alle Menschen, die nicht tatenlos sein wollen, sondern Rassist_innen dort widersprechen möchten, wo sie ihre Stimme erheben, laden wir herzlich zur
**Aktionskonferenz am 10. und 11. Februar 2017 nach Kiel ein**
Wir wollen uns mit euch austauschen, einander kennenlernen. Gemeinsam wollen wir eine Strategie für die nächsten Monate bestimmen, wir wollen diskutieren und voneinander lernen. Dafür haben wir folgendes Programm für euch vorbereitet:
Freitag 10.02.17 19:30 Uhr
Diskussion: Zum Aufstieg und aktueller Stärke der AfD
mit Tanya Zorn, Lothar Galow-Bergemann, Sebastian Friedrich, Peter Birke, Maike Zimmermann
Samstag 11.02.17
10:00 Uhr: Begrüßung
10:30 Uhr: Diskussion – Markenkerne der AfD
mit Melanie Groß, Vassilis Tsianos, Maike Zimmermann
12:00 Uhr: Workshopphase I
– Wahlkampfaktionen: Strategien zum Umgang mit rechten Aktionen im Wahlkampf
– Regionale Vernetzung: lokale Kämpfe regional verbinden
– Recherche zum AfD Wahlkampf: Konzepterarbeitung für einen Watchblog
– Argumentationstraining: rechten Parolen inhaltlich fundiert widersprechen
– Aufstehen gegen Rassismus im Betrieb – Position am Arbeitsplatz beziehen
– Counter-Hate-Speech: rechter Hetze im Netz begegnen
– Materialien und Informationen: Wie erreichen wir ein Flächenland?
13:30 Uhr: Mittagspause
14:30 Uhr: Workshopphase II
16:00 Uhr: Pause
16:30 Uhr: Plenum – Vorstellung der Ergebnisse
18:00 Uhr: Pause
18:30 Uhr: Plenum – Gemeinsame Resolution
Wir Bitten euch diese Einladung an eure Freund_innen und Bekannten weiterzuleiten und im Rahmen eurer Möglichkeiten zu bewerben. Flyer zur Aktionskonferenz (PDF)
Um die Aktionskonferenz noch besser Planen können, bitten wir euch nach Möglichkeit um eine Anmeldung unter https://www.agr-sh.de/anmeldung/
Für alles weiter sind wir für euch unter den unten angegebenen Kontaktdaten erreichbar.
Wir sehen uns im Februar!
Veranstaltungort: CAU Kiel Gebäude: OS75 Olshausenstr. 75 24118 Kiel
Buslinien: 6, 61, 62
Haltestelle: Bremerskamp
Das Bündnis AgR schließt Angehörige und Sympathisant_innen von NPD, AfD und ihren Jugendorganisationen sowie der Identitären Bewegung und Kameradschaften ebenso wie Personen, die uns als Teilnehmer_innen rechter Demonstrationen bekannt sind von der Veranstaltung aus.

03.02.: Gipfelimpressionen – Bewegte Bilder von bewegten Zeiten

“Der G20-Gipfel (Termine) steht vor der Tür und allen Seiten ist klar, dass es massenhaften Widerstand geben wird. Verschiedene politische Bewegungen und Alltagskämpfe aus ganz Europa werden in Hamburg zusammenkommen und ein kollektives Zeichen gegen die Welt des Kapitals setzen. Dass die Hochzeit der Globalisierungsbewegung hinter uns liegt, ist kaum zu bestreiten. Gerade deshalb wollen wir einen Blick zurückwerfen, um nach vorne schauen zu können.
Mit kleinen Filmausschnitten wollen wir Schlaglichter auf die globalisierungskritische und antikapitalistische Bewegung gegen die Gipfeltreffen werfen: Von den Anfängen der Proteste, die zur Verhinderung der WTO-Tagung in Seattle führten, über die wütenden Aktionen gegen IWF und Weltbank in Prag, die blutigen Tage des G8-Gipfels in Genua bis zu den jüngeren Protesten der letzten Jahre. Die Etappen der Gipfelproteste dokumentieren die Entstehung, das Wachstum und die Krise der Bewegung, vermitteln einen Eindruck der vielfältigen Protestformen, politischen Ansätze und Strömungen und können uns dabei helfen, an vergangene Erfahrungen anzuknüpfen.”
Freitag – 03. Februar 2017 – geöffnet ab 19 Uhr – Veranstaltung 20 Uhr – Rote Flora – Hamburg

Antifa Enternasyonal Café: Film „Der Freiheitskampf der Kurdinnen“

Vor zwei Jahren befreite sich Kobanê nach 134 Tagen des Widerstands vom IS und am 26.01.2015 wurde die Befreiung bekannt gegeben.

Am Freitag, den 27.01.2017 wird im Antifa-Café Enternasyonal der Film “Der Freiheitskampf der Kurdinnen” gezeigt.
Januar 2015: Die syrische Stadt Kobanê wird von kurdischen Aufständischen aus der Gewalt der IS-Terrormilizen befreit. Die Bilder der jungen Kämpferinnen, die mit Kalaschnikow und Flage an der Seite der kurdischen Kämpfer den IS-Kräften entschlossen gegenüberstehen, gehen um die Welt. Der Mut dieser Kämperinnen gibt Tausenden Frauen in der Region neue Hoffnung. Dass sich nun auch Frauen an diesem Befreiungskrieg beteiligen, ist kein Zufall. Bereits vor 40 Jahren gründeten Aktivistinnen in der Türkei die “Partei der Freien Frauen”. Sakine Cansiz, die Gründerin und Ikone der Bewegung, wurde 2013 in Paris ermordet.

Wir möchten noch auf ein Interview mit der YPJ-Kämpferin Hanna Bohman hinweisen: Auch nach dem IS wird die YPJ ihren Kampf gegen patriarchale Unterdrückung im Mittleren Osten fortsetzen

Nichts & Niemand ist vergessen! Solidarisch gegen den Hass – 2017 braucht dein Engagement

Am 18. Januar 1996 brannte in der Lübecker Hafenstraße ein Haus. Es war der folgenschwerste rassistische Brandanschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Zehn Menschen starben in den Flammen. Unter den Toten waren sieben Kinder. Die Täter_innen sind bis heute nicht verurteilt.
21 Jahre später werden Rechtsextreme wieder nicht daran gehindert geflüchtete Menschen anzugreifen. Mancherorts, entstehen wieder pogromartige Stimmungen. Auch in Lübeck gab es Angriffe durch Nazis auf Menschen. 2016 zählte “Mut gegen Rechte Gewalt” 1.832 Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte, davon 103 Brandanschläge und 348 körperliche Angriffe. Jeden Tag fanden drei Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte statt. Manche_r sieht Parallelen zu den Zustände der 1990er Jahre oder zum Erstarken des Faschismus in den 1930ern .

Denn der Hass auf Menschen ist überall – er scheint sich zu verbreiten
Wenn Geflüchtete auf offener Straße bedroht und misshandelt werden. Wenn Politiker_innen dazu aufrufen, die Außengrenzen gewaltsam zu schützen. Rassistische und andere menschenfeindliche Gedanken werden wieder unverholen geäußert, Ängste in der Bevölkerung vor sozialem Abstieg, Arbeitsplatzverlust oder Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum werden bewusst geschürt.
Die AfD treibt eine Spaltung der Gesellschaft voran und verbündet sich offen mit Rechtspopulist_innen in ganz Europa. Seit über drei Jahren marschiert Pegida in Dresden und anderswo. Ruft offen zum Hass gegen Mulime/Muslima auf. Stellt sich als “Das Volk” dar und schreit ihren Hass in die Welt hinaus. In Clausnitz wurden Geflüchtete, die einen neue Asylunterkunft beziehen wollen, attackiert und mit Hass empfangen. Es gibt über 4500 sogenannte Reichsbürger_innen, die die Bundesrepublik nicht als juristischen Staat anerkennen und von denen ein Großteil bewaffnet ist. In München dauert weiterhin der wenig beachtete Prozess gegen den National Sozialistischen Untergrund (NSU) an. Diese Gruppe von Rechtsterrorist_innen hatte bis 2011 zehn Menschen ermordet, von denen sich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe weiterhin nicht bekennt. Der Prozess wird 2017 wohl ein Ende finden, ohne dass die Verantwortlichen, auch die des Verfassungsschutzes, zur Rechenschaft gezogen werden. Rechtsterrorismus wird in Deutschland immer noch nicht als wirkliche Bedrohung benannt und anerkannt .
Der Hass als Instrument um Menschen – und Bürger_innenrechte einzugrenzen
Die terroristischen Anschläge islamistischer Gruppen, Netzwerke oder Einzeltäter_innen in London, Madrid, Paris, Brüssel, Nizza und Berlin verstärken den Eindruck von Unsicherheit. Die geschürte Angst dient unter anderem dazu, den Ausbau repressiver Staatsapparate und die Einschränkung von Bürger_innen und Menschenrechten bis hin zur Durchsetzung des Ausnahmezustandes zu legitimieren.
Die 2015 hoch gelobte Willkommenskultur erschien 2016 schon völlig vergessen. Die Verschärfung von Grenzkontrollen führte auch dazu, dass über 5000 Menschen 2016 im Mittelmeer starben. Es war das bisher tödlichste Jahr. Obwohl sich die Fluchtursachen in vielen Ländern nicht verändert haben, wurden die Asylbedingungen im letzten Jahr zunehmend verschärft. Es wird zum Beispiel versucht Geflüchteten aus Syrien, das Recht auf Asyl zu verwehren und Afghanistan wurde zu einem sicheren Herkunftsland erklärt.
Der Hass als Wahlprogramm
Mehr denn je ist die Welt heute zerrissen von Kriegen und durchzogen von sozialen Spaltungen. Donald Trumps hasserfüllte Forderungen seines Wahlkampfes, könnten mit dem kommenden Beginn seiner Präsidentschaft Wirklichkeit werden. Auch in Europa erzielen Rechtspopulist_innen hohe Wahlergebnisse, wie zum Beispiel Norbert Hofer der mit 48% knapp die Wahl des Bundespräsidenten in Österreich verlor. Im Mai wird in Frankreich neu gewählt, die Rechtspopulistin Marine Le Pen (Front National), gilt hier als eine mögliche Favoritin. Im Juli 2017 wird in Hamburg der sogenannte G-20-Gipfel stattfinden. Dort wird unter anderem Trump, Putin und Erdogan eine Plattform für ihre von Hass durchsetzte Weltvorstellung geboten. In der Türkei entsteht zunehmend ein faschistisches Regime, dass nach Allianzen mit den anderen Mächtigen dieser Welt strebt. Im Mai findet die Landtagswahl in Schleswig-Holstein statt. Hier erhofft sich die AfD ins Landesparlament einzuziehen. In Mecklenburg Vorpommern gelang es ihr dies letztes Jahr mit über 20%. Im Herbst steht die Bundestagswahl an, auch hier ist ihr Einzug in den Bundestag wahrscheinlich. All dies wird der AfD den Zugang zu öffentlichen Mitteln im Bund und Kommunen verschaffen und ihnen Einflussmöglichkeiten, um ihre Politik umzusetzen, geben. Auf das Erstarken der AfD, reagieren die etablierten Parteien mit einem Rechtsruck ihrer Politik.
Unsere Antwort auf ihren Hass lautet Solidarität
Wir wollen in einer Welt leben, in der es darum geht Ausgrenzungen abzuschaffen. In der Menschenrechte für alle gelten, egal woher sie kommen. Eine Gesellschaft in der das «Wir» ein solidarisches Miteinander beschreibt und kein Mittel darstellt, um andere auszuschließen.
Gemeinsam müssen wir für einen Richtungswechsel eintreten, damit die rassistischen Zustände, die gesellschaftliche Verschiebung nach Rechts, das Aufstreben rechtspopulistischer Parteien in Deutschland und Europa zurück gedrängt werden. Gemeinsam müssen wir die gesellschaftlichen Missstände sichtbar machen und sie nicht verschweigen. Populismus ist keine Lösung, sondern stärkt nur konservative und neoliberale Strukturen, welche für die Missstände verantwortlich sind.
Gemeinsam wollen wir auch 21 Jahre später den Opfern und Angehörigen des Brandanschlages in der Hafenstraße gedenken, damit sie und viele anderen nicht in Vergessenheit geraten. Unsere Aufgabe ist es solidarisch gegen den Hass auf die Straße zu gehen. Für ein solidarisches Miteinander, für ein gutes Leben für Alle, für einen gemeinsamen Richtungswechsel!
Das Jahr 2017 braucht dein Engagement, dein Mitgefühl, deine Kreativität, dein Durchhaltevermögen, deine Heiterkeit, deine Intelligenz, dein Lachen, deinen Mut, deine Disziplin, deine Entschlossenheit. Es braucht deine Fähigkeit genau hinzuschauen und überlegt zu handeln. Es braucht ein gemeinsames Wir!
21. Januar 2017 | Demonstration | 13.00 Uhr | Holstentorplatz Lübeck

Dessau-Roßlau: Gedenken am 12. Todestag – Oury Jalloh das war Mord!

Oury Jalloh das war Mord! – Gedenken am 12. Todestag in Dessau-Roßlau from left report on Vimeo.

Am 07.01.2017 beteiligten sich in Dessau ca. 2000 Menschen an der alljährlichen Gedenkdemonstration für Oury Jalloh.
Oury verbrannte 2005 in einer Dessauer Polizeizelle. Der Mord an ihm wurde trotz zahlreicher Hinweise auf ein Verbrechen bis heute nicht aufgeklärt, die mutmaßlichen Mörder*innen, Dessauer Polizeibeamte wurden nicht zur Verantwortung gezogen.
Trotz Minusgraden und starkem Schneefall gestaltete sich die Demo kraftvoll und entschlossen und konnte ein lautstarkes Zeichen gegen die sog. “Dessauer Verhältnisse” setzen. In Redebeiträgen wurde darauf hingewiesen, dass der Mord an Oury in einer Reihe weiterer unaufgeklärter Todesfälle mit Hinweisen auf Verstrickungen Dessauer Polizeibeamt*innen steht.
Die Initiative im Gedenken an Oury Jalloh e.V. zeigte sich erfreut über die große Teilnehmer*innenzahl und sprach von einer der größten Gedenkdemonstrationen bisher.
Weitere Informationen zu Gedenkkampagnen und -aktionen sowie zu den Hintergründen des Mords an Oury Jalloh findet ihr hier: initiativeouryjalloh.wordpress.com
Bericht auf Englisch von Enough is Enough: 1500 People Took The Streets of #Dessau, #Germany to Commemorate #OuryJalloh
(Das Video ist von LEFT REPORT | Linke Medienmacher*innen aus Berlin)

Interview mit der Action Antifasciste Paris Banlieue

Am 5. Juni 2013 wurde der 18-jährige Antifaschist Clément Méric von Neonazis in Paris ermordet. Vom 3. bis 5. Juni 2016 fand in Paris ein Aktionswochenende zum Gedenken an Clément statt. Dort führten Genoss_innen der Antifa Pinneberg für das AIB ein Interview mit der Action “Antifasciste Paris Banlieue”, das wir hier gekürzt wiedergeben.
(Interviews von 2014 und vom 1.Mai 2015)

Könnt ihr euch kurz vorstellen?
Wir sind eine Gruppe von Antifaschist_innen aus Paris und den Vorstädten. Unser Hauptanliegen ist es, die Rechte zu bekäm­p­fen, aber nicht nur. Wir sind eine antikapitalistische Gruppe und möchten den Kampf gegen Kapitalismus und den Kampf gegen Rechts verbinden. Der Kampf findet in den Köpfen und auf der Straße statt. Zur Zeit gewinnt jedoch in Frankreich die Rechte den Kampf um die Köpfe, deren Ideen finden Anklang in der Gesellschaft. Deshalb müssen wir nicht nur auf der Straße kämpfen, sondern auch um die Köpfe. Das heißt, dass wir uns auch gegen den Staat stellen der rassistische Gesetze, z.B. gegen Roma, Muslime und andere erlässt. Wir sind unabhängig von Parteien und anderen Organisationen, was nicht heißt, dass wir nicht auch mit anderen zusammenarbeiten.
Wie wurde der Mord an Clement juristisch aufgearbeitet?
Die beiden Haupttäter Esteban Morillo und Samuel Dufouy sind auf freiem Fuß. Ein Prozess ist immer noch nicht absehbar.1 Die Mörder kommen aus der Neonazi-Orga­nisation „Troisieme Voie“ (3. Weg), die mittlerweile verboten wurde. Der Anführer der Organisation war Serge Ayoub, heute ist er Präsident und Mitbegründer des rechten Bikerclubs „MC Praetorians“, der vor allem durch die Organisierung mehrerer Neonazikonzerte bekannt wurde, unter anderem mit Endstufe, Nordglanz und Stahlfront.
Ist der Mord nach drei Jahren noch Thema in der Gesellschaft, was berichten die Medien?
Er ist kein Thema mehr. Anfangs herrschte Bestürzung und Betroffenheit in den Medien, die aber schnell einem Herunterspielen der Tat wich. Wenn etwas zum Mord berichtet wird, dann wird das Ganze immer als Auseinandersetzung zwischen zwei rivalisierenden Jugendgruppen dargestellt. Die politische Dimension wird außer Acht gelassen. Es ist allgemein gerade so, dass Taten mit rassistischem oder rechtem Hintergrund heruntergespielt und als Taten von z.B. Betrunkenen dargestellt werden und damit ein politischer Hintergrund ausgeblendet wird. Zum Beispiel bei Brandanschlägen auf Moscheen konnte man dieses Verhalten zuletzt öfter beobachten.
Wie hat sich Paris / Frankreich verändert nach den Terroranschlägen im Januar / November 2015?
Nach den Anschlägen war das Verhängen des Ausnahmezustandes vor allem eine mediale Aktion der Regierung, die Stärke zeigen und das Gefühl vermitteln sollte, dass etwas getan wird. Die Maßnahmen betrafen anfangs vor allem Menschen mit muslimischem Glauben oder solche, die für Muslime gehalten wurden. Es stehen über 3.000 Menschen unter Hausarrest und es gab ähnlich viele Hausdurchsuchungen. Wegen des Ausnahmezustands ist dies ohne richterliche Genehmigung möglich. Eine Anordnung des Polizeichefs reicht aus. Beim Klimagipfel in Paris (COP 21) haben sich die Repressionsmaßnahmen dann vor allem gegen Klimaaktivist_innen und Akteure der Linken gerichtet. Neben Hausarresten und Hausdurchsuchungen wurden auch Demonstrationen verboten.

In den letzten Jahren hat die Rechte in Frankreich viele Stimmen dazu gewonnen und die öffentliche Debatte bestimmt. Derzeit gibt es massive Proteste von links gegen eine Arbeitsmarktreform. Wie schätzt ihr die aktuelle Situation ein?
Seit den Protesten gegen die Arbeitsmarktreform richtet sich die Repression gegen jegliche Opposition, die sich gegen den Staat stellt. Die Parole der Proteste ist: „Tout le monde deteste la police!“ (“Die ganze Welt hasst die Polizei!”). Die Art und Weise der Demonstrationen hat sich verändert, es wird nicht mehr in den Blöcken der Parteien und Gewerkschaften gegangen, sondern sich eher davon distanziert. Die Leute organisieren sich unabhängig von diesen Organisationen. Besonders in den Vororten sehen sich die Menschen nicht durch die parlamentarische Linke vertreten. Die reden viel und machen nichts, hört man. Wir versuchen zumindest es anders zu machen. Es sind jede Menge Schüler_innen und Student_innen auf den Demonstrationen, die keinen Bock haben, sich vor den Karren irgendeiner Organisation spannen zu lassen. Die Polizei geht brutal gegen die Proteste vor, es gibt viele Verletzte, auch mit bleibenden Auswirkungen. Das massive Vorgehen der Polizei hat viele Menschen, die diese Gewalt nicht kennen, erschrocken. Anders als in den Vorstädten hat sich die Polizei in der Innenstadt früher eher zurückgehalten. Doch in den Vorstädten wird diese Art von Polizeitaktik schon lange erprobt und angewendet. Sie gelten als eine Art Labor für Gesellschaftskontrolle und Polizeitaktik. Was vor ein paar Jahren in den Vorstädten erprobt wurde (Drohnen, Flashballs etc.), wird heute gegen die Demonstrationen eingesetzt.
Was für Auswirkungen hat die Repression auf eure Strukturen?
Mit dem Ausrufen des Ausnahmezustandes durch die Regierung ist es für die Polizei einfacher geworden und die Repression hat klar zugenommen. Mit den Protesten der letzten Monate hat das Level dann noch einmal zugenommen. In den Medien werden wir als Organisatoren von Krawallen dargestellt und für alles was geschieht verantwortlich gemacht. Es wird versucht, die Leute einzuschüchtern, damit sie nicht mehr an den Protesten teilnehmen. Eine weitere Taktik ist es zwischen „guten“ und „bösen“ Protestierenden zu unterscheiden, um die Menschen zu spalten. Wir selber merken, dass wir mehr Antirepressionsarbeit betreiben müssen.

Was zieht ihr für ein Resümee aus dem Gedenkwochenende für Clement?
Der Kampf gegen Faschismus und Rassismus muss Teil der sozialen Kämpfe werden. Wir sehen unsere Aufgabe darin, diese beiden Kämpfe zu verbinden. Das Motto der Demonstration war ja auch gegen Repression, Rassismus und rechte Gewalt — „autodefense populaire“! Wenn man die Teilnehmenden der Demonstration, die verschiedenen Banner und Parolen, die gesprüht und gerufen wurden betrachtet, kann man wohl sagen, dass es uns gelungen ist diese Themen zusammenzubringen. Wie die ganzen Kämpfe um die Arbeitsmarktreform zeigen, besteht gerade gegen unsere Bewegung ein großer Repressionsdruck. Weiter haben wir noch zwei Konzertabende veranstaltet und ein Fußballturnier organisiert. Das hat viel Spaß gemacht und gab den Anwesenden Raum, um sich auszutauschen und kennenzulernen.
Vielen Dank für eure offenen Worte, möchtet ihr am Ende noch etwas hinzufügen?
Wenn du aktiv sein möchtest, musst du zeigen, dass du nicht nur redest, sondern auch handelst. Egal bei welchem Thema. Zeige, dass du es ernst meinst und gestalte deine Zusammenarbeit so, dass man auf Augenhöhe gleichberechtigt zusammenarbeitet.

Die gewaltsame Ablehnung von obdachlosen Menschen und rassistische Hetze

Nach einem Mordversuch an einem obdachlosen Menschen in Berlin, hat bundesweit schockierte Reaktionen hervorgerufen. Doch Gewalt gegen Menschen auf der Straße ist kein neues Problem.
Bei den Tätern in Berlin handelt es sich um heranwachsende Flüchtlinge. Für die Bewertung der Tat ist die Herkunft der Täter völlig irrelevant.
Von AfD über NPD und Pegida wird die Tat für die nächste Debatte um Gewalt von Flüchtlingen genutzt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) berichtet von 225 Menschen ohne Wohnung die seit 1989 ermordet wurden. Bei Übergriffen auf Wohnungslose spielen “menschenverachtende Motive” eine zentrale Rolle. Die ablehnenden Einstellungen gegenüber Wohnungslosen sind auch Bestandteil rechter Ideologie und speisen sich aus einer “gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit”. Bei einer aktuellen “Mitte-Studie” der Friedrich-Ebert-Stiftung stimmten 19,4 Prozent der Aussage zu, die meisten Obdachlosen seien “arbeitsscheu”. Dass bettelnde Obdachlose “aus den Fußgängerzonen entfernt werden” sollen, hielten mehr als ein Drittel der Befragten für richtig.
In Schleswig-Holstein sind laut Statistik vier obdachlose Menschen seit 1990 von Nazis ermordet worden.
+++ Flensburg: Ein unbekannter Obdachloser (31) wird am 31. Dezember 1990 von jugendlichen teilweise betrunkenen Nazi-Skinheads zusammengeschlagen und -getreten. Er starb sechs Tage später an seinen Verletzungen.
Da das Opfer entgegen des Rates der Ärzte das Krankenhaus vorzeitig verlässt, wird der Täter nur zu einer Haftstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt, wobei in dieses Urteil weitere Vergehen mit einfließen. +++
+++ Flensburg: Nachdem am 19. März 1992 am Flensburger Hafen (Schleswig-Holstein) der 21-jährige Nazi-Skinhead Sascha D. „Ausländer raus“ gerufen hatte, gibt sich ihm der Obdachlose Ingo Finnern (31 oder 32) als Sinto zu erkennen. Daraufhin wird er von diesem ins Hafenbecken gestoßen und ertrank.
Der Täter wird zu fünf Jahren Jugendhaft verurteilt, die Richter sehen sich allerdings nicht dazu im Stande einen rassistischen oder sozialdarwinistischen Tathintergrund zu erkennen. +++
+++ Bad Segeberg: Im Jahr 1993 prügelte der Neonazi Bernd Tödter (* 1974) mit einem Freund in Bad Segeberg einen Obdachlosen zu Tode.
Für diese Körperverletzung mit Todesfolge wurde er 1993 in Kiel zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, ein „unverständlich geringes Urteil für einen glatten Mord“, wie es in Sicherheitskreisen heißt.
Noch in der Haftzeit in Neumünster soll sich T. über das „unwerte Leben“ geäußert haben, das er mit seiner Tat beseitigt habe. +++
+++ Schlewig: In der Nacht zum 12. September 2000 wird Malte Lerch (45) in Schleswig von zwei Nazi-Skinheads erschlagen, nachdem er mit ihnen auf einer Wiese gezecht hatte. Die beiden Skinheads fühlten sich beleidigt, da Malte Lerch schlecht über die Skinhead-Szene gesprochen hatte. +++

Aus der Broschüre zum Gedenken an Dieter Eich in Berlin-Buch: “Penner klatschen“ – Über Obdachlosen-Feindlichkeit
von Lucius Teidelbaum, Macher von berberinfo.blogsport.de und antizig.blogsport.de
„Ich danke dem Herrgott jeden Tag, dass ich auf meiner »Platte« wieder lebendig aufwache. Ich bin schon oft überfallen worden.“
Andreas (* 1960), seit 1985 wohnsitzlos, in der Ausstellung „un-gewohnt“

Obdachlosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland
Obdachlosigkeit in der Bundesrepublik ist bisher statistisch kaum erfasst. Die deutschen Behörden führen keine ausreichenden Statistiken zur Zahl der Wohnungslosen. Nach Schätzungen der „Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe“ (BAGW) gab es in Deutschland im Jahr 2008 ungefähr 230.000 Wohnungslose. Damit waren vor allem Menschen gemeint, die nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügten (verdeckte oder latente Wohnungslosigkeit). Etwa 20.000 Menschen davon lebten komplett ohne jede Unterkunft auf der Straße, waren also obdachlos im engeren Sinne. Unklar ist auch wie viele Straßenkinder sich unter den Obdachlosen befinden. Die Zahlen reichen von 2.500 bis 40.000.
Die Gründe, die zu einer zeitweiligen oder lang anhaltenden Obdachlosigkeit führen sind unterschiedlicher Natur. Meist ist aber Armut die Ursache, die den Prozess hin zur Obdachlosigkeit einleitet. Geschätzte 2/3 aller Obdachlosen sind aus finanziellen Gründen obdachlos. Dabei ist Obdachlosigkeit ein Problem, was in bestimmten Bevölkerungsgruppen gehäuft vorkommt. Obdachlose sind vor allem alleinstehende Männer im Alter zwischen 35 und 48 Jahren. Allerdings hat sich das in den letzten Jahren etwas verschoben und der Anteil der Frauen ist mittlerweile auf geschätzte 25 Prozent angestiegen. Für diese existiert die spezielle Gefahr von sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen. Allgemein existieren für obdachlose Menschen wenig Rückzugorte und speziell für Frauen und Mädchen gibt es noch weniger Notübernachtungen. So haben obdachlose Frauen schon häufiger Gewalterfahrungen gemacht oder sind von sexueller Ausbeutung bedroht.
Armut und Obdachlosigkeit bedingen auch allgemein eine prekäre gesundheitliche Situation von Obdachlosen. Viele Obdachlosen leiden unter Mangelernährung, Rheuma, Hauterkrankungen, eingeschränkter Mobilität, psychischen Krankheiten oder Suchtproblemen. Ihre ärztliche Versorgung ist schwierig, da bestimmte Voraussetzungen für eine dauerhafte Betreuung (z.B. fester Wohnort, Geld) fehlen und es andererseits häufig auch eine gewisse Scheu gibt von sich aus eine medizinische Versorgung in Anspruch zu übernehmen.
Obdachlose als Opfer rechter Gewalt
Bei der Opfergruppe der Obdachlosen sind starke Überschneidungen zu anderen Opfergruppen wie Behinderten, psychische Kranken, linksalternativen Jugendlichen (besonders Punks) oder wie im Fall von Dieter Eich zur Gruppe der Langzeitarbeitslosen und anderer sozial Benachteiligter. Alle Angehörigen dieser Opfergruppen sind von einer Art „Sozialdarwinismus der Tat“ betroffen. Dabei herrscht eine Logik der „Säuberung“ vor. Dieser Gedanke der „Säuberung“ wird auch in den Tatrechtfertigungen der Täter_innen ersichtlich:
* In der Nacht vom 5. Mai 1994 wurden der Obdachlose Eberhart Tennstedt (43) und ein weiterer Obdachloser in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) von drei Angehörigen einer rechten Clique geschlagen und mit Schüssen aus einer Gaspistole in einen Fluss getrieben. Sein Begleiter konnte sich retten, während Tennstedt ertrank. Die Täter gaben an, „Penner“ würden nicht ins Stadtbild passen.
* Am 27. Juli 2000 wurde Norbert Plath (51) in Ahlbeck (Mecklenburg-Vorpommern) von vier jungen Rechten zu Tode geprügelt. Die Täter waren der Meinung, dass „Asoziale und Landstreicher hätten im schönen Ahbeck nichts zu suchen“.
* Am 25. November 2000 wird Eckhardt Rütz (42) in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) vor der Mensa der Universität von drei rechten Skinheads zusammengetreten und mit Baumstützpfählen erschlagen , weil „so einer wie Rütz dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegt“.
Die Zahl obdachloser Todesopfer rechter Gewalt in der Bundesrepublik ist schwer zu bestimmen. Die offizielle Statistik der Regierung scheidet auf Grund ihrer nachgewiesenen Ignoranz grundsätzlich aus. Die alternative Opfer-Chronik der Zeitung „Die Zeit“ verzeichnete von 1989 bis 2010 mindestens 28 ermordete Obdachlose durch rechte Gewalt. Aber auch das scheint zu niedrig gegriffen. Nach Angaben des BAGW wurden von 1989 bis 2011 mindestens 167 wohnungslose Menschen von Tätern außerhalb der Wohnungslosenszene getötet. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich sehr viel höher, da der BAGW sich auf eine systematische Presse-Auswertung stützt, es aber Fälle gäben dürfte, die es nicht einmal zum Dreizeiler im Lokalteil schafften. Natürlich ist unklar welche Motive im Einzelnen eine Rolle bei den 167 Morden spielten, aber obdachlos lebende Menschen sind eindeutig das Objekt eines besonders ausgeprägten Hasses.
Die Medien hingegen übernehmen zumeist brav die behördlich-offiziellen Erklärungen und hinterfragen zumeist nicht die Motivation der Täter_innen. Aber wenn es in einem Medienbericht heißt „aus Langeweile hätten sich die vier Schüler am vergangenen Samstag entschlossen, den Obdachlosen, der in einem Kleinwagen auf einem Schwimmbad-Parkplatz lebte, »zu ärgern«“, dann sagt das nichts über Gründe und Ursachen der Tat aus. Die sich in diesem Fall bis hin zu einem Mord steigerte. Niemand bringt aus Langweile einfach mal einen Menschen um. Manchmal spielt auch Raub ein Motiv, doch stellt sich die Frage warum die Täter_innen davon ausgingen, dass sie Angehörige von sozialen Randgruppen folgenlos berauben können und warum sie ihre Opfer häufig auch noch brutal misshandeln.
Bei vielen Fällen von Obdachlosenfeindlichkeit gibt es zudem Überschneidungen zu anderen menschenfeindlichen Motiven wie Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus, Homophobie oder zur Behindertenfeindlichkeit.
Obdachlosenfeindlichkeit ist eine Ausprägung von manifestem und latentem Sozialdarwinismus bzw. Sozialchauvinismus. Dieser Sozialdarwinismus richtet sich gegen die Verlierer_innen der Konkurrenz- bzw. Leistungsgesellschaft, die in der Markthierarchie der ökonomischen Nützlichkeit ganz weit unten angesiedelt sind. Befeuert und biologisiert werden sozialdarwinistische Diskurse durch Vererbungs- und Überlegenheitstheorien wie die von Thilo Sarrazin.
So werden Langzeitarbeitslose, Menschen mit geistiger Behinderung und Obdachlose entmenschlicht und abgewertet. Das Absprechen des Status als Mensch, die Täter_innen sprechen z.B. von „menschlichem Schrott“, geht der Tat notwendigerweise fast immer voraus. Aus dem im Täter_innen-Jargon so benannten „Assis klatschen“ (d.h. schlagen und prügeln) wird dann das speziellere „Penner klatschen“. Die Wahl von obdachlosen Menschen als Ziel resultiert vor allem aus deren besonderen Schutz- und insbesondere der Rückzugslosigkeit.
Auffallend ist bei der Betrachtung der Täter_innen und ihrer „Tatbegründungen“, dass sie häufiger ihr eigenes Unterlegenheitsgefühl und Zukunftsängste durch das Abreagieren an Schwächeren zu kompensieren scheinen. Das soll die Tat nicht entschuldigen, sondern nur erklären warum ein Teil der Täter_innen selbst aus der Unterschicht stammt.
In Fällen von Gewalt gegen Obdachlose fällt auf, dass die Gewalt enthemmt eingesetzt wird und die Tatzeiten häufig auffällig lang sind. Bei normalen Schlägereien ist oft bei bestimmten Stellen Schluss. Bei Obdachlosen oder sozial Schwachen aber scheint es diese Grenze häufig nicht zu geben. Das ist wiederum ein klarer Hinweis darauf, dass die Täter_innen ihren Opfern den Status als vollwertiger Mensch absprechen und deswegen meinen auch ohne Hemmung bis zum Tod zuschlagen zu können. Diese Enthemmung der Täter_innen ist ein klarer Hinweis auf ein sozialdarwinistisches Weltbild der Täter_innen, das Menschen in „lebenswert“ und „nicht lebenswert“ einteilt.
Die Täter_innen sind meist verhältnismäßig jung und nur ein Teil lässt sich an Hand ihrer Organisations-Mitgliedschaft oder ihrer Freizeitaktivitäten der extremen Rechten zuordnen. Übrig bleiben so genannte „unpolitische“ Jugendliche. Der rechte Hintergrund wird von offiziellen Stellen meist in den Fällen geleugnet, in denen den Täter_innen keine entsprechende Organisationsstruktur nachgewiesen werden kann. Dabei bestimmt das Motiv einer Tat deren Charakter. Wenn bisher politisch unauffällige Jugendliche aus sozialdarwinistischen Motiven einen obdachlosen Menschen ermorden, dann ist dieser Mord als rechte Tat einzuordnen. Allein die Tätergesinnung zum Tatzeitpunkt ist entscheidend!
Abgesehen von den individuellen Täter_innen-Profilen existiert in der Gesellschaft eine allgemeine Obdachlosen-Feindlichkeit, die genau diese konkrete Gewalttätigkeit bedingt und hervorbringt. In der Langzeit-Studie „Deutsche Zustände“ wird auch eine allgemeine Obdachlosenabwertung in der Gesellschaft erfasst. Demnach äußerten sich im Jahr 2007 38,8 Prozent der Befragten negativ über Obdachlose und 34 Prozent sprachen sich dafür aus, Bettelnde aus den Fußgängerzonen zu entfernen. Ursache hat diese Abwertung in dem bürgerlich-kapitalistischen Leistungsprinzip, in der Studie heißt es dazu: „Ökonomistischen Bewertungskriterien können neben den Langzeitarbeitslosen weitere Gruppen zum Opfer fallen, die nur einen geringen oder gar keinen Beitrag zur Effizienzsteigerung der Marktgesellschaft beitragen. Letzteres gilt insbesondere für jene Personen, die in der Sozialhierarchie noch unter den Langzeitarbeitslosen stehen und deren Arbeitsmoral als noch geringer geschätzt wird: die Obdachlosen.“
Angetrieben wird die weit verbreitete Obdachlosen-Feindlichkeit noch von einer strukturellen Obdachlosen-Feindlichkeit von Staats- und Medienseite. Die Wirtschaft, Politik und Medien propagieren ein negatives Bild von Erwerbs- und Obdachlosen. Wer Hartz4 bezieht, steht schnell als „arbeitsfauler Sozialschmarotzer“ da.
Die gnadenlose Logik des Marktes wird auf die Verlierer_innen und Abgehängten im Kapitalismus angewandt. Auch in den Reihen der Etablierten existiert die Logik der Säuberung. Klaus-Rüdiger Landowsky (CDU-Berlin) meinte am 27.02.1997: „Es ist nun einmal so, dass dort, wo Müll ist, Ratten sind. Und dass dort, wo Verwahrlosung herrscht, Gesindel ist. Das muss in der Stadt beseitigt werden!“ und Franz Müntefering (SPD), damaliger Vizekanzler und Bundesminister für Arbeit und Soziales im Kabinett von Angela Merkel (2005-2007) sagte im Mai 2006: „Nur wer arbeitet, soll auch essen.“
Diese sozialdarwinistische Logik findet sich sogar in der Jugendhörspiel-Serie TKKG:
Karl: „Scheinen ziemlich zäh zu sein diese Penner. Vielleicht liegt das daran, dass sie sich immer schonen? Sie haben keinen Stress, keine Verantwortung, keine Aufgaben und sie leben trotzdem.“ Tim: „Was nicht geübt wird verkümmert. Schonung stärkt nicht, sondern schwächt. Das ist ein Naturgesetz und gilt für alles.“
(TKKG-Folge „Der letzte Schuss“)
Worten folgen Taten. Im öffentlichen Raum findet eine verschärfte Vertreibungs- und Verdrängungspolitik statt. Mittel dazu sind Bettelverbote und Platzverweise. Ziel ist dabei eine Innenstadt ohne Alkoholkranke, Obdachlose und Punks. Im Rahmen dieser offiziell vorangetriebenen Politik kommt es auch zu einzelnen, gewalttätigen Übergriffen durch Polizei-Beamte. Beispielsweise alarmierten im November 2001 in Bad Homburg Geschäftsleute die Polizei, da ihnen ein 49jähriger Wohnungsloser wegen „ungebührlichen Verhaltens“ aufgefallen sei. Der hinzugerufene Polizist sprang laut Staatsanwaltschaft mehrfach auf den am Boden liegenden Mann und verletzte ihn mit Tritten im Gesicht . Das Opfer konnte nur dank schneller Hilfe gerettet werden. Bereits ein Jahr zuvor hatte der Beamte einen in einem Hauseingang liegenden Obdachlosen mehrfach in den Rücken und ins Gesicht getreten. Der Beamte erhielt 15 Monate Haft auf Bewährung.
Zu den von behördlicher Seite vorangetriebenen „Säuberungen“ der Innenstädte kommen noch die privaten „Säuberungen“, der die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raumes Vorschub leisten. Besonderer Vorreiter ist hier die „Deutsche Bahn“ (DB). In den letzten Jahren wurden Bahnhöfe und Bahnhofsvorplätze privatisiert und die DB kann sich dadurch auf „Hausfriedensbruch“ berufen. Zur Durchsetzung der Souveränität setzt die DB sogar eine eigene Bahnpolizei ein. Offiziell hat die DB das Prinzip der drei S: Service, Sicherheit, Sauberkeit. Da passen Angehörige sozialer Randgruppen als nicht-rentable Kund_innen natürlich nicht ins Konzept.
Das besondere bei obdachlosen Opfern rechter Gewalt ist, dass sie Opfer ohne jeden Rückzugsraum und damit besonders wehrlos sind. Die Schwierigkeiten beim Umgang mit der Gewalt gegen Obdachlose sind vielfältig. Obdachlose zeigen einen Angriff praktisch nie an, weil bei ihnen die Angst vor Rache am größten ist, außerdem findet sich bei nicht wenigen Scham auf Grund ihrer sozialer Situation. Schuld daran sind soziale Ausgrenzung und Isolation. Zusätzlich gibt es nicht selten schlechte Erfahrungen mit der Polizei. So werden Angriffe nicht angezeigt und Morde finden wenig Beachtung.
Genau dadurch sind Obdachlose auch „Tote ohne Anerkennung“. Sie bilden die unterste Opfer-Kategorie in der Aufmerksamkeitshierarchie. Mindestens 70 Prozent der Fälle, bei denen die Opfer Obdachlose, Behinderte oder sozial Randständige sind, wurden von staatlicher Seite nicht erfasst. De facto kommen hier Schweigekartelle aus Justiz und Polizei, Regierung und Presse zum Einsatz. Wenn Taten einmal Aufmerksamkeit der Medien und der Justiz finden, dann werden sie massiv entpolitisiert. Alkohol gilt als Standartausrede. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Linkspartei) bemerkte dazu treffend: „Daß nicht jeder wütende Betrunkene zum Mörder an Wehrlosen wird, sondern hier in der Regel schon ein entsprechendes Weltbild mit klaren Feindbildern vorhanden sein muß, ignoriert der Geheimdienst ebenso wie es viele Gerichte tun.“
Umgang und Gegenmaßnahmen: ein paar Ideen
Eine differenzierte Darstellung von obdachlosen und sozial schwachen Menschen muss her. Obdachlosen Opfern muss eine individuelle Gestalt verliehen (Namen, Bild, Biografie) werden, um ihnen wenigstens nach ihrem Tod den Status als Mensch zurückzugeben, den sie zu Lebzeiten bei vielen Menschen nicht hatten.
Ein bundesweites Notruftelefon speziell für Obdachlose wäre auch hilfreich. Genauso wie eine gesellschaftliche Ächtung von Gewalt gegen Schwächere.
Letztlich muss aber der Nährboden der sozialen Ausgrenzung auf dem die Gewalt gegen sozial Schwächere aufbauen, ausgetrocknet werden. Dazu muss letztlich die kapitalistische Leistungsgesellschaft in der sich der „Wert“ eines Menschen nach seinem ökonomischen Nutzen bestimmt überwunden werden.

Gemeinsam gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung!

Das neue Antifa Infoblatt (AIB) Nr. 113 ist da

Ti­tel­the­ma der 113. Aus­ga­be des An­ti­fa­schis­ti­schen In­f­o­blatts ist: Neue Bewegung von Rechts. Wei­te­re The­men sind unter an­de­rem: Wohllebens letzter Kampf – Zwischenstand im NSU-Prozess, Bombenleger aus der Nachbarschaft – Die rechtsterroristische “Gruppe Freital”, Neonazigewalt in Finnland – Der Mord an Jimi Karttunen, 80. Jahrestag der Internationalen Brigarden in Spanien – Ein Reisebericht, Die AfD: Gefahr für die Zivilgesellschaft, Amerikas Rechte ist Weltmacht, Für Gott, Die Anti-Abtreibungs-Bewegung und ihre Überschneidung mit der völkischen Rechten. Erhältlich wie immer in den Läden eures Vertrauens ( Infoladen Schwarzmarkt, Schanzenbuchhandlung ) oder direkt beim AIB

21.12. Kundgebung zum Gedenken an Ramazan Avci

Am 21.12.1985 wurde Ramazan Avci zusammen mit seinem Bruder und einem Freund am Bahnhof Landwehr aus einer bekannten Skinheadkneipe heraus angegriffen. Sein Bruder und der Freund konnten in letzter Sekunde in einen Linienbus fliehen, der ebenfalls von den Nazis angegriffen wurde. Ramazan Avci rannte auf die Fahrbahn und wurde von einem Auto erfasst und meterweit durch die Luft geschleudert. Nach dem er auf der Straße aufschlug, liefen mindestens drei Skins auf ihn zu. Ramazan Avci wurde auf dem Boden liegend mit Baseballschlägern, Axtknüppeln und Fußtritten brutal malträtiert und verstarb am 24.12.1985 an den Folgen dieser Schläge im Krankenhaus. Wenige Tage später wurde sein Sohn geboren, der nach ihm benannt wurde.
Obwohl die Mörder von Ramazan Avci aus dem Umfeld der neonazistischen FAP stammten, wurde vom Gericht kein politisches Motiv gesehen. Dies war nicht der erste und letzte rassistische Mord bei dem kein politisches Motiv erkannt wurde. Es ist die Regel und nach wie vor allgegenwärtig.

Ohne diese Verharmlosung und Verstrickung staatlicher Institutionen wären die Verbrechen des NSU kaum denkbar. Fünf Jahre nach der Selbstenttarnung der NSU werden beharrlich rechtsterroristische Netzwerke negiert und der Verfassungsschutz, BKA und BND weiter ausgebaut.
Nach wie vor kann der Verfassungsschutz Akten schreddern, ohne dass irgendeine Person juristisch dafür verantwortlich gemacht wird.
Rassisten zünden Flüchtlingsunterkünfte an, und werden als besorgte Bürger verharmlost.
Die Aufklärungsquote dieser Verbrechen tendiert gegen Null, obwohl die meisten Täter in der unmittelbaren Nachbarschaft der Tatorte leben. Und wie 1992 nach dem mörderischen Brandanschlag von Mölln sind die Reflexe dieselben. Nicht gegen Rassisten wird aufgerüstet, sondern gegen Geflüchtete Menschen, denen pauschal mit einem Generalverdacht als potentielle Terroristen begegnet wird. Die massivsten Gesetzesverschärfungen und Grundrechtsbeschränkungen seit 1993 werden im Schweinegalopp national durchgeboxt. Auf europäischer Ebene wird die Festung Europa militärisch gesichert. Diktatoren werden hofiert, milliardenschwer subventioniert und militärisch aufgerüstet, damit sie keine Geflüchteten Richtung Europa lassen. Für die NATO werden neue Existenzberechtigungen geschaffen, um die Grenzen im Mittelmeerraum zu sichern.
Ohne den unermüdlichen Einsatz von NGOs würden mehr Menschen im Massengrab Mittelmeer ertrinken. Der Einsatz von Watch the Med, Alarmphone, Ärzte ohne Grenzen u.v.m hat nicht verhindern können, dass allein in diesem Jahr (bis Oktober 2016) mehr als 3.600 Menschen im Mittelmeer qualvoll ertrunken sind. Der Einsatz dieser Organisationen wird zunehmend kriminalisiert und zum Teil militärisch bekämpft. Nichts soll den Glauben stärken, dass sich der Einsatz für Geflüchtete lohnt. Allerdings haben diese NGOs bis heute Hunderttausende vor dem Ertrinken gerettet. Es zeigt sich, dass Widerstand gegen das mörderische Grenzregime sich lohnt.
Wir dürfen das politische Feld und die Straße nicht den Mördern, Rassisten, Antisemiten, Homophoben, Behindertenfeinden und Sexisten; kurz: den Menschenfeinden überlassen.
Es geht um das Überleben von Millionen Menschen, die ein besseres Leben wollen. Es geht auch um unsere Lebensentwürfe von einer anderen humanen Gesellschaft, die wir mit allen Mittel verteidigen müssen. Die Menschenfeinde bilden nicht die Mehrheit. Nur wenn wir uns wieder auf unsere Stärken besinnen, werden wir diese faschistoiden Entwicklungen stoppen können. Wir schaffen das!
Wir wollen Ramazan Avci gedenken und uns mit seiner Familie solidarisieren. Wir wollen an diesem Tag auch der anderen Opfer von rassistischen Übergriffen gedenken und die Erinnerung an sie wachhalten. Die Familie Avci hat sich gewünscht, dass bei der Kundgebung neben der Ramazan Avci Initiative ausschließlich Familienangehörige von Opfern rassistischer Gewalt zu Wort kommen sollen.
Entsprechend wird das Programm der Kundgebung gestaltet sein.
Und die Familie wünscht sich Rosen, die an dem Gedenkstein niedergelegt werden können.
Kundgebung Mittwoch, 21.12.2016 um 18.00 Uhr, Ramazan-Avci-Platz
Initiative zu Gedenken an Ramazan Avci